Nicht tot genug 14
Einzelzimmer, den rechten Arm vom Ellbogen abwärts bandagiert. Am linken Handgelenk trug er ein Identifikationsarmband. Sein blasses Gesicht war mit blauen Flecken und Kratzern übersät.
Glenn Branson stand hinter Grace, und zwei Polizeibeamte saßen draußen vor der Tür.
»Norman Jecks?«, fragte Grace. Er fand es sehr sonderbar, mit einem Mann zu sprechen, der aussah wie ein Klon von Brian Bishop. Es war, als könnte Bishop tatsächlich an zwei verschiedenen Orten zugleich sein.
»Ja.«
»Ist das Ihr voller Name?«
»Er lautet Norman John Jecks.«
Grace notierte ihn. »Ich bin Detective Superintendent Grace, und dies ist Detective Sergeant Branson. Ich verhafte Sie wegen Mordes an Ms. Sophie Harrington und Mrs. Katherine Bishop. Sie müssen jetzt nichts sagen, aber es kann Ihre Verteidigung beeinträchtigen, wenn Sie bei der Vernehmung etwas verschweigen, das Sie später vor Gericht vorbringen. Alles, was Sie sagen, kann als Beweismittel verwendet werden. Ist das klar?«
Jecks hob den linken Arm und sagte mit freudlosem Lächeln: »Das mit den Handschellen dürfte ein bisschen schwierig werden, oder?«
Verblüfft über so viel Sarkasmus erwiderte Grace: »Da haben Sie recht. Aber jetzt können wir Sie wenigstens von Ihrem Bruder unterscheiden.«
»Die ganze Welt kann mich von meinem Bruder unterscheiden«, sagte Jecks verbittert. »Warum haben ausgerechnet Sie Probleme damit?«
»Sind Sie bereit, mit uns zu sprechen, oder möchten Sie einen Anwalt hinzuziehen?«
Jecks lächelte. »Ich rede mit Ihnen. Warum auch nicht? Ich habe doch alle Zeit der Welt. Wie viel hätten Sie denn gern davon?«
»So viel Sie erübrigen können.«
Jecks schüttelte den Kopf. »Nein, Detective Superintendent Grace, das wollen Sie garantiert nicht. Die Zeit, die ich auf meinem Konto habe, möchten Sie gewiss nicht mal geschenkt.«
Grace hinkte zu dem leeren Stuhl neben dem Bett und setzte sich. »Was haben Sie damit gemeint, als Sie sagten, dass die ganze Welt Sie von Ihrem Bruder unterscheiden könne?«
Genauso unheimlich hatte Jecks gegrinst, als er am vergangenen Abend bei Cleo die Treppe heruntergekommen war. »Weil er mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurde und ich – wollen Sie wissen, womit ich geboren wurde? Mit einem Beatmungsschlauch aus Plastik im Hals.«
»Aber warum kann man Sie deswegen voneinander unterscheiden?«
»Brian hatte alles, von Anfang an. Gesundheit, wohlhabende Eltern, Privatschulbildung. Und ich? Ich hatte unterentwickelte Lungen und habe die ersten Monate meines Lebens in einem Inkubator verbracht. Und zwar in diesem Krankenhaus! Ironie des Schicksals, was? Ich hatte jahrelang Atemprobleme. Und ziemlich beschissene Eltern. Wissen Sie, was ich damit sagen will?« »Nicht so ganz. Ich fand sie eigentlich ganz sympathisch.«
Jecks schaute ihn eindringlich an. »Ach ja? Was wissen Sie denn schon über meine Eltern?«
»Ich habe heute selbst mit ihnen gesprochen.«
Jecks grinste wieder. »Das glaube ich kaum, Detective Superintendent. Soll das vielleicht eine Fangfrage sein? Mein Vater verrottet seit 1998 in der Erde, und meine Mutter ist zwei Jahre nach ihm gestorben.«
Grace schwieg einen Moment. »Das verstehe ich nicht ganz.«
»Was gibt es denn da zu verstehen? Bishop hat ein schönes Haus, eine gute Ausbildung, die besten Startmöglichkeiten, die man sich nur wünschen kann, und seine Firma war in der Sunday Times unter den hundert erfolgreichsten Firmen in diesem Land. Und das mit einer Idee, die er mir geklaut hat! Er ist ein großer Mann! Ein reicher Mann! Sie sind Polizist und wollen da keinen Unterschied erkennen?«
»Welche Idee hat er Ihnen gestohlen?«
Jecks schüttelte den Kopf. »Vergessen Sie’s. Ist nicht so wichtig.«
»Ach nein? Das sehe ich aber anders.«
Jecks lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Ich glaube, ohne meinen Anwalt möchte ich nichts mehr sagen. Es gibt übrigens noch einen anderen Unterschied. Brian kann sich einen tollen Verteidiger leisten, den besten, der für Geld zu haben ist! Und ich bekomme nur irgendeinen zweitklassigen Pflichtverteidiger, stimmt’s?«
»Ihnen stehen einige gute Anwälte kostenlos zur Verfügung«, versicherte ihm Grace.
»Bla, bla, bla«, erwiderte Jecks, ohne die Augen zu öffnen. »Aber machen Sie sich wegen mir keine Sorgen, das hat noch nie einer getan. Nicht einmal Gott. Er tut nur so, als würde er mich lieben, aber er liebt in Wirklichkeit nur Brian. Schon immer. Gehen Sie lieber zu Ihrer Cleo
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