Der Pfad der Woelfin
Was bisher geschah...
Fast drei Jahrhunderte lang hat Landru, einer der ältesten Vampire, nach dem Lilienkelch gesucht, dem Unheiligtum der Alten Rasse. Nur mit ihm können die Vampire Nachwuchs zeugen: indem sie Menschenkinder rauben, ihnen das Blut eines Sippenoberhaupts zu trinken geben und sie damit zu Vampiren machen.
Der Lilienkelch spielte eine wichtige Rolle im Plan der Ur-Lilith, der ersten Frau Adams. Aus ihr ging das Vampirgeschlecht hervor, nachdem sie von Gott aus dem Garten Eden verstoßen wurde. Doch im Laufe der Jahrtausende überkam sie der Wunsch, sich mit dem Schöpfer zu versöhnen. Ein Kind beider Welten - halb Mensch, halb Vampir - sollte Werkzeug und Mittler sein: So wurde Lilith Eden geboren.
Das Vorhaben gelingt. Gott vergibt der Ur-Lilith und »impft« den Lilienkelch mit einer Seuche, die, als Landru ihn benutzt, alle Sippenoberhäupter rund um den Globus infiziert. Deren »Kinder« werden von unbändigem Durst nach Blut befallen, den sie nicht zu löschen vermögen und rapide altern. Allein die Oberhäupter sind gegen die Seuche immun. Und dies ist Liliths künftige Bestimmung: die letzten überlebenden Vampire zu vernichten. Doch es gibt eine zweite große Gefahr: einen künstlichen, genmanipulierten Vampir, der unempfindlich gegen christliche Symbole ist und das Überleben der Blutsauger sichern soll. Von den Vampiren in New York erweckt, gerät der Homunkulus außer Kontrolle und flieht auf einen Tanker Richtung Alaska. Auf dem Schiff zeugt er Nachwuchs - aus sich selbst, denn er ist geschlechtslos. Die Besatzung fällt ihm nach und nach zum Opfer, bis der Kapitän das Schiff in eine Feuerhölle verwandelt. Der Blutsauger entkommt ins Eismeer, während seine »Kinder« in den Flammen sterben ... In einem Nonnenstift in Maine, USA, zeigt die junge Ordensschwester Mariah plötzlich Spuren einer Schwangerschaft, obwohl sie nie mit einem Mann zusammen war. Nur 666 Stunden später gebiert sie einen Knaben - und das Verhalten der anderen Nonnen ändert sich abrupt. Hatte man bisher vor, das Kind in ein Waisenhaus zu geben, soll es nun im Kloster aufwachsen. Mehr noch: Als der Monsignore, der von Zeit zu Zeit die Orden besucht, von dem Kind erfährt, wird er von den Schwestern aufgehalten und von Schatten zerfleischt.
Kurz darauf kommt ein von der Seuche infizierter Vampir zum Kloster - und wird von dem Kind geheilt! Freudig verbreitet er die Kunde, doch die Vampire, die daraufhin zum Nonnenstift pilgern, werden brutal getäuscht. Der Knabe entzieht ihnen alle Kraft und Erfahrung und wächst dabei um gut drei Jahre.
Lilith, die dem Pilgerzug der Blutsauger gefolgt ist, zieht die falschen Schlüsse und will das Kind retten. Die Schwestern stellen sich gegen sie, und Mariah flieht mit dem Kind. Dieses aber hat in Lilith seine Gegnerin erkannt ...
Voll, rund und schwer hing der Mond am sternfunkelnden Himmel. Ein bleicher Geselle, der sich auf dem nobelsten Rang eines stadtumspannenden Amphitheaters eingerichtet hatte. Ganz Rom lag ihm zu Füßen; die Ewige Stadt, die zur Bühne für ein blutiges Spektakel verkommen war.
Vor einem knappen Monat, am 6. Mai dieses Jahres, waren die Truppen von Kaiser Karl V. in die Mauern der Stadt eingefallen -auf dem Höhepunkt eines Krieges, den der Habsburger Kaiser gegen seinen französischen Rivalen König Franz I. um die Herrschaft über Italien führte.
Ludwig war mit einer gewaltigen Armee, in der Hauptsache deutsche Landsknechte, ins Armeleuteviertel Trastevere auf der rechten Tiberseite eingefallen und hatte den Fluß von dort aus überquert. Tausende Bewohner Roms, nicht nur Soldaten, waren seither gestorben. Ihr Blut hatte die Straßen und Rinnsteine mit einer dunklen Patina überzogen, die in der Frühsommerhitze erbärmlich stank. In manchen Vierteln loderten die Scheiterhaufen Tag und Nacht, um die Leichen der Gefallenen zu beseitigen.
Ludwig blickte kurz zur Engelsburg, in der sich der Papst feige eingeschlossen hatte. Das Kastell wurde seit Wochen belagert und mit denselben Kanonen bedroht, die bereits weite Teile der ge-schichtsträchtigen Stadt in Schutt und Asche gelegt hatten.
Das Ultimatum war gestellt. Wenn der Papst sich nicht bald ergab, würde auch die Engelsburg fallen, wie einst die für uneinnehmbar gehaltenen Mauern Jerichos, und dann .
Ludwig wurde speiübel, während er, gegen ein Wagenrad gelehnt, zu dem aufwendig gestalteten, in die Nacht gebetteten, festungsähnlichen Rundbau spähte, hinter dessen Fenstern und Zinnen
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