Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
genug in ihre Organisation einzudringen, sie zu unterwandern und ihr Netzwerk in den USA und Europa aufzuspüren – davon rede ich.«
»Wen unterwandern? Wozu? Wieso weiß London nichts
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davon?«
»London …« Sarah machte eine Pause. »London weiß
deshalb nichts davon, weil ich nicht weiß, wem ich etwas erzählen darf. Ich kenne noch nicht das ganze Netzwerk, aber je mehr ich darüber erfahre, desto deutlicher zeigt sich, dass ich niemandem trauen kann.«
Nun entstand eine weitere Pause. Sarah wollte, dass ich sie zum Nachdenken nutzte, aber ich überließ es ihr, unser Schweigen zu brechen. Nachdem sie den Jackenkragen als Kälteschutz etwas höher vor ihr Gesicht gezogen hatte, verstand sie, dass sie weitersprechen sollte. »Du sollst mich vermutlich liquidieren?« Wegen des Kragens klang ihre Stimme merkwürdig dumpf.
»Nein, ich soll dich nur zur Vernehmung nach England zurückschaffen. Du hast London anscheinend in Verlegenheit gebracht.«
Sie nahm meine Antwort mit einem spöttischen Lachen auf.
Ich fühlte, wie ihre Schultern bebten, als sie sich eine Hand vor den Mund hielt, um ihr Lachen, das mehr ein Husten war, zu dämpfen.
»Ah, London …« Ihr Lachen ging endgültig in einen
Hustenanfall über. Dann sah sie zu mir auf. »Hör zu, Nick, London sieht die Sache falsch. Verdammt, hier geht’s nicht um Verlegenheit. Hier geht’s um ein Attentat!« Ich machte anscheinend ein verständnisloses Gesicht, denn Sarah sprach wieder wie eine Kindergärtnerin. »Das Team in dem Haus …
es hat ein Attentat auf Netanjahu geplant.«
Ehrlich gesagt war mir Netanjahu scheißegal, daher musste ich unwillkürlich grinsen. »Daraus wird nichts mehr. Bis auf einen sind alle tot.«
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Sarah schüttelte nachdrücklich den Kopf. Sie wirkte todernst
– oder zumindest so ernst, wie man wirken kann, wenn man am ganzen Körper blau gefroren ist, sogar an der Nasenspitze.
»Nein, das stimmt nicht. Die Gruppe hat zwei weitere Mitglieder, die sich heute mit uns in dem Haus treffen wollten.
Du verstehst diese Leute nicht, Nick; für sie ist das nicht bloß irgendein Auftrag, sondern ein Kreuzzug. Sie machen auf jeden Fall weiter.« Ihre Stimme klang jetzt frustriert. »Glaub mir, wenn Netanjahu stirbt, kann dir das nicht scheißegal sein.
Sein Tod würde dein ganzes Leben verändern, Nick. Falls du überlebst, meine ich.«
Ich konnte es nicht leiden, wenn sie immer nur
Andeutungen machte; dabei kam ich mir so vor, als wäre ich wieder mit Lynn und Elizabeth zusammen. »Was soll dieser Scheiß? Wovon redest du eigentlich, Sarah?«
Während sie darüber nachdachte, vergrub sie den Kopf wieder im Kragen meiner Jacke. Das Knattern von
Hubschrauberrotoren mischte sich in die Windgeräusche über uns, um dann so rasch zu verstummen, wie es hörbar geworden war.
»Nein, noch nicht. Das hebe ich mir als Versicherung auf, um die Gewissheit zu haben, dass du mir hilfst, hier rauszukommen. Ich glaube nämlich nicht, dass du mich nach London zurückbringen sollst, Nick. Es muss um mehr gehen, sonst hätten sie nicht dich hergeschickt.«
Sie hatte natürlich Recht; an ihrer Stelle hätte ich genau wie sie gehandelt.
»Pass auf, Nick, ich mache dir einen Vorschlag. Sorgst du dafür, dass ich hier lebend rauskomme, erzähle ich dir alles.
Lass dich nicht von ihnen missbrauchen; lass mir Zeit, dir alles 339
zu beweisen.«
Ich hasste es, nicht selbst bestimmen zu können, was geschehen sollte. Ich wollte mehr wissen, aber andererseits war ich nicht so verzweifelt wissbegierig, dass ich nachts vor Sorgen nicht würde schlafen können. Ich gab keine Antwort; ich musste erst nachdenken. Und ich würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass sie hier rauskam – ob ihr das gefiel oder nicht.
Sie veränderte leicht ihre Sitzposition, hob wieder den Kopf und sah mir in die Augen. »Nick, bitte glaub mir. Ich bin in eine Sache verwickelt, in der ich niemandem trauen kann –
wirklich keinem Menschen.«
Sie starrte mich unverwandt an. Als sie eben weitersprechen wollte, hörten wir beide, wie jemand in unserer Nähe durch das Unterholz brach.
Wer immer das sein mochte, trat ziemlich ungeschickt auf und fiel laut fluchend hin. »Scheiße!« Das war eine
Männerstimme.
Ich brauchte kein Wort zu sagen. Sarah glitt von meinem Schoß, und ich griff nach der Pistole.
Der Mann war aufgestanden, aber anscheinend sofort wieder hingefallen und rappelte sich jetzt fluchend auf. »Scheiße, Scheiße …«
Ich kroch auf allen
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