Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
denen Kriegsgefangene aus Lagern flüchten und sich zu den eigenen Linien durchschlagen konnten. Die Geheimdienstler erfanden auf Seide gedruckte Landkarten, die zwischen die Schichten einer Spielkarte passte und in Rotkreuzpaketen in die Lager geschickt werden konnte. Sie änderten sogar den Schnitt der RAF-Uniformen, damit sie sich leichter in Zivilkleidung verwandeln ließen. Die Kombination aus Haken und Trittschlingen gehörte zu den vielen Hilfsmitteln, mit denen Kriegsgefangene Lagerzäune hatten überwinden sollen. Bei ihnen hatte diese Methode funktioniert; ich hoffte, dass sie auch bei uns funktionieren würde.
Als Nächstes nahm ich mir die Polaroidkamera vor, für die Liv vier Filmpacks gekauft hatte. Sobald der erste Film eingelegt war, machte ich rasch eine Probeaufnahme von meinem linken Fuß. Die Kamera funktionierte einwandfrei. Ich riss die Schutzhüllen von den übrigen drei Filmpacks. Jeder enthielt eine eigene Batterie, aber die Leistung von Batterien fällt bei Kälte ab, und das durfte nicht passieren. Um sie warm zu halten, würde ich sie am Körper tragen.
Hatten wir die Schuhe gewechselt und das Haus betreten, würde ich unsere jeweilige Umgebung aufnehmen, sofern Verschlussgeräusch und Blitzlicht uns nicht verraten konnten. Bei Geheimunternehmen muss alles genau so zurückbleiben, wie man es vorgefunden hat. Die Leute merken sofort, wenn etwas nicht exakt so ist, wie es sein sollte. Dabei kann es sich um offenkundige Dinge wie einen verkrumpelten Teppich handeln, der plötzlich wieder flach liegt, aber in den meisten Fällen wird das Unternehmen durch etwas fast Undefinierbares verraten. Die Leute spüren instinktiv, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Wir nehmen winzige Veränderungen vielleicht nicht bewusst wahr, aber unser Unterbewusstsein registriert sie und versucht uns zu warnen. Wir sind nicht immer clever genug, um diese Warnung zu verstehen, aber wir spüren , dass irgendwas nicht stimmt. Eine wache Zielperson erkennt sogar, dass eine am falschen Platz liegende Büroklammer ein Drama darstellt, und ergreift die Gegenmaßnahmen, die sie für notwendig hält.
Da im Haus Leute sein würden, war die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass unser Eindringen nicht unbemerkt bleiben würde, aber das durfte mich nicht daran hindern, genau zu planen, wie ich das Unternehmen im Idealfall durchführen würde. Ich war in der Vergangenheit bei ähnlichen Aufträgen erfolgreich gewesen - weshalb also nicht auch bei diesem?
Während ich darüber nachdachte, wie ich ins Haus eindringen würde, fiel mir ein, dass ich den Akku der elektrischen Zahnbürste laden musste. Ich ging in mein Bad und steckte sie an der Rasierersteckdose ein.
Als ich wieder im Wohnbereich war, griff ich nach einem Satz Inbusschlüssel. An einem großen Metallring hingen ungefähr 20 nach Größe geordnete Schlüssel, deren Enden in Spiralfedern steckten. Ich wählte den kleinsten Schlüssel aus und zog ihn vom Ring ab.
Der Wohnbereich begann wie die Werkstatt des Weihnachtsmanns auszusehen: überall Sägespäne,
aufgerissene Verpackungen, Tragetaschen,
Kleidungsetiketten ... und dazwischen saß ich auf dem Fußboden.
Der Inbusschlüssel war am vorderen Ende etwa einen Zentimeter lang rechtwinklig gekröpft. Mit Hammer und Zange machte ich daraus einen 45-Grad-Winkel, wobei ich darauf achtete, dass der weiche Stahl nicht abbrach. Dann holte ich die Metallfeile aus der Blisterpackung und machte mich daran, das kürzere Ende abzurunden. Das dauerte nur ungefähr zehn Minuten. Als ich fertig war, ging ich nach unten und steckte den Inbusschlüssel probeweise ins Sicherheitsschloss des Garagentors. Er passte genau hinein.
Oben in der Weihnachtsmannwerkstatt öffnete ich die Packung Isopon und mischte Kunstharz und Härter zu gleichen Teilen auf einem Stück Pappe. Dann nahm ich Kleber und Inbusschlüssel ins Bad mit. Ein paar Minuten später saß der Schlüssel fest am oszillierenden Stahlschaft der Zahnbürste, wo normalerweise ihr Kopf gesessen hätte. Als ich beobachtet hatte, wie die Haustür sich hinter den Männern geschlossen hatte, war sie einfach nur zugedrückt, aber nicht von innen abgesperrt worden, was auf ein Zylinderschloss hinwies. Mit diesem Gerät würde es sich hoffentlich aufsperren lassen.
Ich nahm zwei weiße Handtücher mit, setzte mich auf den Fußboden und fing an, einen weiteren kleinen Inbusschlüssel rund zu feilen. Aus der Zahnbürste und dem ersten Inbusschlüssel hatte ich einen improvisierten
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