Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
hatte der Bereich vor dem Haus den Vorteil, von Fuß- und Reifenspuren durchzogen zu sein.
Ich packte die Holzklötze mit beiden Händen, damit die Haken mein Gewicht trugen, stellte meinen rechten Fuß in die rechte Trittschlinge, zog mich an den Klötzen hoch, streckte dabei die Beinmuskeln und kam auf diese Weise langsam höher. Als die Trittschlinge belastet wurde, dehnte sich der Nylongurt leise knisternd ein paar Millimeter, während die Fasern sich ausrichteten.
Torflügel und Kette klirrten, als das Tor sich unter meinem Gewicht bewegte; damit hatte ich gerechnet, aber das Geräusch war unerwartet laut. Ich erstarrte sekundenlang und beobachtete dabei das Haus.
Als ich Gewissheit hatte, dass die rechte Trittschlinge mein Gewicht trug, zog ich den linken Fuß nach und stellte ihn in die 15 Zentimeter höhere Schlinge. Jetzt war ich fast einen halben Meter über dem Boden und musste nur noch ungefähr elfeinhalb Meter höher klettern.
Ich machte mir nicht die Mühe, wieder zu Tom hinüberzusehen. Von jetzt an würde ich mich darauf konzentrieren, was ich zu tun hatte, denn ich wusste, dass er mich aufmerksam beobachten und alle meine
Bewegungen genau nachmachen würde, wie ich ihm eingebläut hatte.
Ich verlagerte mein Körpergewicht erneut, bis es ganz in der linken Trittschlinge ruhte, deren Nylonmaterial sich jetzt knisternd ein paar Millimeter dehnte, als sie erstmals belastet wurde. Dann zog ich den rechten Haken heraus, ohne meinen Fuß aus der Trittschlinge zu nehmen, und steckte ihn 15 Zentimeter höher mit einer Schulterbreite Abstand in die nächste Raute. Tom hatte Recht, ich bewegte mich wie Spiderman, der eine Wand hochkletterte, aber statt mit Saugnäpfen arbeitete ich mit Haken und Trittschlingen.
Diesen Vorgang wiederholte ich noch zweimal und bemühte mich, möglichst leise zu atmen, während mein Körper gebieterisch mehr Sauerstoff für die arbeitenden Muskeln forderte. Ein rascher Blick nach unten zeigte mir, dass Tom mich mit aus dem Wind gedrehten Kopf aufmerksam beobachtete.
Ich wollte erst Höhe gewinnen, um über die Schneewehen am Zaun hinwegzukommen, bevor ich nach links und damit in der Nähe des Torpfostens weiterkletterte. Wir durften nicht direkt über der Fahrspur klettern, denn wir mussten jederzeit damit rechnen, dass Leute oder ein Fahrzeug ans Tor kamen, das außerdem immer lauter klappern würde, je höher sich unser Gewicht verlagerte. Ich wollte den ersten Doppel-T- Träger erreichen, in den die Streckmetallplatten des Zauns eingeschoben waren. Verankerten wir unsere Haken beim Klettern links und rechts des Trägers, würde der Torflügel sich weniger verwinden und auch weniger
Krach machen.
Sobald ich über die Schneewehe hinaus war, bewegte ich mich in Etappen von jeweils 25 Zentimetern nach links. Nach drei Wechseln hatte ich den Doppel-T-Träger vor meinem Körper und den oberen Rand des ersten Zaunfelds erreicht. Die makellos weiße, von keiner Spur unterbrochene Schneefläche lag jetzt einige Meter unter mir. Ich hätte weiterklettern können, aber ich wollte den Abstand zu Tom nicht allzu groß werden lassen.
Ich machte Halt, sah zu Tom hinunter und nickte aufmunternd. Nun musste er zeigen, was in ihm steckte, und mir auf meiner Route folgen. Er ließ sich reichlich Zeit; ich hörte ein leises Grunzen, als er sein rechtes Bein streckte, und hoffte, dass er sich daran erinnern würde, dass seine Beinmuskeln die ganze Arbeit leisten würden, obwohl das gelogen gewesen war. Er würde auch ziemlich viel Armkraft brauchen - aber das behielt ich lieber für mich. Ich wollte ihn nicht entmutigen, bevor er überhaupt angefangen hatte.
Das Tor schwankte, und die Kette rasselte erschreckend laut. Zum Glück kam der Wind von links und trug unseren Lärm zumindest teilweise vom Haus weg.
Tom war nicht sehr geschickt darin, das Gleichgewicht zu halten. Als er den linken Fuß in die Trittschlinge stellen wollte, begann er nach rechts zu schwingen und zwang seinen Körper Zu einer Linksdrehung, so dass er zuletzt am Tor klebte. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte ich am liebsten laut gelacht. Während ich ihn unter meiner rechten Achsel hindurch beobachtete, dachte ich an die vielen anderen Male, bei denen ich mit Leuten wie Tom, die auf ihrem Fachgebiet große Experten, aber körperlich zu nichts im Stande waren, was mehr Koordination erforderte, als einen Bus zu besteigen oder von einem Stuhl aufzustehen, über Hindernisse geklettert oder Dächer
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