Niedersachsen Mafia
»Doktortasche« geführt
wird, und zog eine stabile Schere hervor. Vorsichtig versuchte er,
Kleidungsfetzen von der Wunde wegzuschneiden. Dann suchte er wieder in seiner
Tasche, zog eine Kompresse hervor, löste die Verpackung und drückte die
Mullbinde auf die Wunde, aus der das Blut pulsierend hervorschoss.
»Sie werden gleich versorgt«, sagte Georg in beschwichtigendem Ton
zu dem bewegungslos daliegenden Özden. Zu Frauke gewandt fügte er an: »Nimm ihm
den Helm ab.«
»Verstehst du etwas davon?«, erwiderte Frauke mit einer Gegenfrage.
»Er wollte uns ermorden.« Dabei nickte sie in Özdens Richtung.
»Dich«, antwortete Georg betont. »Dich wollte er ermorden. Mich
leitet ausschließlich der humanitäre Gedanke. Den Helm«, forderte er sie
nachdrücklich auf.
Frauke befreite den stöhnenden Türken vom Helm.
Georgs Blick wanderte über das Leder der Motorradkluft.
»Was suchst du?«
Georg sah sie nicht an. »Du hast zwei Mal geschossen«, sagte er und
ließ seinen Blick weiterwandern.
»Der erste war ein Warnschuss«, antwortete Frauke.
Georg ließ von Özden ab und sah sie lange an.
»Soso, ein Warnschuss«, sagte er. Er sprach in einer ungewohnten
Tonlage.
Frauke war sich nicht sicher, ob Georg ihr Manöver mitbekommen
hatte. Doch das war nicht die einzige Frage, die sie beschäftigte.
Wie konnte sie Igor Stupinowitsch als Drahtzieher im Hintergrund das
Handwerk legen? Welche Rolle spielte der inhaftierte Bernd Richter?
Und … wer war Georg?
Dichtung und Wahrheit
Der Wunsch eines Autors ist es, dass die Leser der Handlung folgen,
sich das Geschehen vorstellen können und im Kopf dazu passende Bilder entstehen
lassen.
Doch alle Schilderungen sind ausschließlich meiner Phantasie
entsprungen. Figuren, Unternehmen, Einrichtungen und die Straftaten existieren
nicht in der Wirklichkeit. Und wenn sich Überschneidungen ergeben, wären die rein
zufällig und nicht beabsichtigt.
Für die Mitarbeit an diesem Roman danke ich denen, die alle oder
viele meiner Bücher mit klugem Rat begleitet haben, insbesondere haben mich
diesmal bei der örtlichen Recherche unterstützt: Antoinette von Schwarzkopf, Netty
und Malte, Birthe und Philipp Traue.
Hannes Nygaard
STURMTIEF
Hinterm Deich Krimi 11
ISBN 978-3-86358-043-8
»Hannes Nygaard lässt regelmäßig seine Husumer Polizistentruppe an fiesen Mordtaten ermitteln, hat aber für die großen internationalen Verwicklungen seinen Lüder Lüders im Figurenrepertoire. Das funktioniert gut, zumal Nygaard seinen Ermittler hier sehr geradlinig und schnörkellos seine Wege gehen lässt. Bestens gelungen.«
Westfälische Nachrichten
Leseprobe zu Hannes Nygaard,
Sturmtief
:
EINS
In der Früh hatte es geregnet, und den Vormittag über
lag noch die Feuchtigkeit über der Stadt. Das rote, kleinformatige Pflaster
schimmerte im matten Licht eines grauen Tages. Doch die Herbstsonne hatte sich
immer mehr durchgesetzt, die Wolkendecke verdrängt und Platz für einen blauen
Himmel geschaffen. Das hatte nicht nur die Einheimischen ins Freie gelockt,
sondern auch die Besucher, die die Innenstadt und die Plätze rund um den
Stadthafen bevölkerten.
Robert Havenstein erging es wie vielen Menschen, denen
die heimische Umgebung so vertraut scheint, dass sie die Schönheiten ihrer
Heimat gar nicht mehr wahrnehmen. Trotzdem hatte er nicht von seiner
Geburtsstadt lassen können. Obwohl ihn sein Beruf, aber auch die ihn stets
treibende Neugierde nicht nur in die Metropolen, sondern auch in die
entferntesten Winkel der Welt geführt hatte, zog es ihn immer wieder hierher
zurück. Seine Seele verlangte nach dem Plätschern der Ostsee, wenn die sanften
Wellen auf den Strand vor seiner Haustür aufliefen. Das Mare Balticum konnte
sich auch von einer wilden, ungemütlichen Seite zeigen und wurde als
vermeintliches Binnengewässer oft unterschätzt, doch Havenstein war mit dem
Wasser vertraut.
Von seinem Balkon aus genoss er den Blick über die
Eckernförder Bucht, den Marinehafen zur linken Hand, in dem die deutsche
U-Boot-Flotte beheimatet war, den weißen Strand aus feinstem Quarzsand und den
Vorhafen direkt vor der Haustür, in dem sich an den drei Stegen eine schier
unüberschaubare Zahl von Segelbooten und -yachten drängte.
Heute hatte Havenstein dem Idyll keine Aufmerksamkeit
geschenkt. Er hatte die halbe Nacht durchgearbeitet, bis ihn die Müdigkeit
übermannt hatte. Es war ein unruhiger Schlaf gewesen. Immer wieder war er
hochgeschreckt, weil sein rastloser Geist sich
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