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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Shaw letzte Nacht um zwei Uhr geweckt und sie derart verstört, dass sie nicht mehr hatte einschlafen können. Nun pochte ein dumpfer Schmerz hinter ihren Schläfen.
    Seit Monaten schon suchte dieser Traum sie immer wieder heim. Zunächst hatte sie es auf ihre Schulteroperation im Sommer geschoben und auf die schweren Schmerzmittel, die ihr der Chirurg verschrieben hatte. Doch inzwischen hatte sie beinahe alle Physiotherapie-Sitzungen hinter sich, und die Medikamente hatte sie einige Wochen nach der Operation abgesetzt.
    Und doch nahmen die Träume an Häufigkeit und Heftigkeit zu. Immer war sie danach hellwach und verängstigt. Jedes Mal stand sie aus dem Bett auf und überprüfte Fenster und Türen. Sie waren stets verschlossen, doch das half nicht gegen die Angst.
    Selbst jetzt noch ließ die Erinnerung ihren Puls rasen, und ihre Hände waren schweißnass.
    »Das reicht allmählich«, murmelte Kendall und rieb sich die Schulter. »Reiß dich zusammen.« Sie griff nach dem Fläschchen Aspirin, das im Schrank neben der Spüle stand, schraubte den Deckel auf und steckte sich zwei Tabletten in den Mund. Sie spülte sie mit Wasser hinunter und stellte das Glas auf die Arbeitsplatte. »Dummer, alberner Traum.«
    Seit fünf Monaten moderierte sie die Abendnachrichten von Channel 10. Die Quoten waren während dieser Zeit in die Höhe geschnellt, und es war bereits davon die Rede, dass sie ihre eigene Talkshow bekommen sollte.
    Kendall sah auf ihre schmale Armbanduhr. Viertel nach zehn. Meistens erschien sie nicht vor drei Uhr im Sender. Wenn sie dann dort war, gab es ein kurzes Treffen mit den Produzenten, der Nachrichtenredakteurin, manchmal auch dem Redaktionsleiter, und mit allen anwesenden Reportern, um die aktuellen Nachrichten zu besprechen. Dabei wurde festgelegt, welcher Reporter welche Story übernehmen und welche davon in die nächste Sendung kommen würde. Anschließend erneuerte Kendall Frisur und Make-up und nahm die Vorankündigungen für die Abendnachrichten auf.
    Es war noch viel zu früh, um zur Arbeit zu fahren, doch sie fühlte sich ruhelos und konnte die Ablenkung gut gebrauchen. »Nicole, ich bin weg!«, rief sie. Letzten Sommer war Kendall hinter einer Story über einen Serienmörder her gewesen, und Nicole war vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen. Beide waren durch die Hand dieser Männer beinahe ums Leben gekommen.
    Die Frauen hatten einander im Krankenhaus kennengelernt und dort Freundschaft geschlossen. Als Kendall dann im November ein historisches Stadthaus in der Grove Avenue gekauft hatte, hatte sie Nicole gefragt, ob sie bei ihr einziehen wolle. Keine der beiden betrachtete es als Dauerlösung, doch im Moment wohnten sie lieber mit jemandem zusammen. Die Nächte waren weniger unheimlich, wenn man wusste, dass am Ende des Korridors noch jemand schlief.
    Schritte waren zu hören, und Nicole erschien in der Tür. Ihr dunkles Haar fiel ihr über die schmalen Schultern und betonte ihre tiefblauen Augen. Sie hatte blasse Haut und volle Lippen, die sich zu einem breiten Grinsen öffnen konnten. Ihr Outfit – verspielte Bluse, Jeans, silberne Kreolen und abgetragene Stiefel – ließ ihre Künstlernatur erahnen. Im Moment war Nicoles hervorstechendstes Merkmal jedoch der gewaltige Bauch, über dem sich ihre Bluse spannte. In wenigen Wochen würde sie das Kind ihres verstorbenen Mannes zur Welt bringen.
    Die Schwangerschaft war ein furchtbarer Schock gewesen, doch Nicole hatte sich entschlossen, das Kind auszutragen. Zwar war sie keine Abtreibungsgegnerin, doch sie konnte sich nicht zu einem Abbruch durchringen. Sie sprach nur selten über das Baby, und einige Male war sie bei einer Adoptionsagentur gewesen, doch bisher hatte sie der Adoption noch nicht zugestimmt.
    Lächelnd blickte Nicole von der Kamera auf, die sie in den Händen hielt. In der Vergangenheit hatte sie sich an der Westküste einen Namen als Fotografin gemacht, doch bei der Flucht vor ihrem Mann hatte sie alles aufgeben müssen. Im Moment war sie dabei, ihren alten Beruf wieder aufzunehmen – mit bemerkenswertem Erfolg. »Gehst du heute früher?«
    »Ich habe einen Berg Arbeit vor mir.« Kendall lächelte, während sie das sagte. Es war nicht nötig, Nicole mit verstörenden Träumen zu beunruhigen.
    »Du arbeitest zu viel. Wann schaltest du mal einen Gang zurück und genießt das Leben?«
    »Wer rastet, der rostet. Und außerdem bin ich nicht die Einzige, die so ranklotzt. Du hast in letzter Zeit auch ganz schön

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