Niemand
mit diesem Job.«
Nina überlegte krampfhaft. Geld brauchte sie nicht, gesund war sie und für Ruhm interessierte sie sich nicht. Sie schloss die Augen, spitzte die Lippen, und während sie ihre Wimper wegpustete, wünschte sie sich …
Helle Töne, von einem unsichtbaren Klavierspieler erzeugt, flogen so leise durch die Luft, dass sie es nur in dieser momentanen absoluten Stille vernahm – lieblich und klar. Dann riss die Melodie abrupt ab. Die Ruhe wirkte wie eine dicke Blase, die sich mit noch nicht ausgesprochenen Fragen füllte und zu bersten drohte.
»Nein, Kindchen, diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Das steht außerhalb meines Wirkungskreises«, sagte Fräulein Klimper und sah sehr traurig aus. »Ich muss weg, du hast einen Wunsch gut bei mir.«
»Pling« und Fräulein Klimper war verschwunden. Sofort ließen die Laberköppe ihre Fragen über Nina hinabregnen: »Was hast du dir gewünscht? Sag es uns! Was nur hast du dir gedacht? Ein Wunsch, der nicht erfüllbar ist? Das gibt es nicht! Wie kann das sein?« – »Nein, ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Fräulein Klimper einen Wunsch nicht erfüllen konnte!« – »Selbst unsere Wünsche hat sie erfüllt. Weißt du noch, wie mir der Ast auf den Kopf gefallen und dabei ein Metallsplitter am Auge abgebrochen ist? Meine Wimpern, solche hat keiner hier im Niemandsland!« – »Und Fräulein Klimper kam tatsächlich.«
»Beim Fortpusten hast du einen roten Kopf bekommen, aber dann ist es dir gelungen. Und wir konnten unsere Arme bewegen«, ergänzte Nöckel. »Das war ein toller Wunsch. Hab ich dir das schon mal gesagt?«
Sie demonstrierten ihre Beweglichkeit, indem sie mit den Händen in der Luft herumwedelten und klatschten.
»Aber einen Wunsch nicht erfüllt?«, fragte Pin.
»Davon habe ich auch noch nie gehört«, sagte Niemand.
»Nein, das war noch nie da!«, bestätigte Nöckel. Zum ersten Mal waren sich die beiden Brüder einig. Sie sahen einander an. Eine Veränderung schlängelte sich durch die Luft – unsichtbar, aber deutlich zu spüren. Und als sich die Laberkopp-Brüder nun unterhielten, sprachen sie sanfter miteinander, hörten sich gegenseitig zu und laberten nicht mehr aneinander vorbei.
»Wo ist der Admiral heute?«, wollte Niemand wissen, der die Veränderung anscheinend nicht bemerkt hatte.
»Ich glaube«, so Pin, »er ist heute Morgen bei Sonnenaufgang Richtung Marktplatz. Bestimmt wollte er zum Fluss. Was meinst du, Bruder?«
»Ja, das denke ich auch.«
Sie lächelten und winkten sich zu.
»Gut. Komm, Nina. Wir gehen zum Fluss.«
»Aber Niemand. Es ist noch hell. Der Admiral kann noch nicht mit dir reden.«
3.
Verdammt! Daran hatte Niemand nicht gedacht.
»Dann bleiben wir hier, verstecken uns im Haus und gehen bei Dunkelheit.«
»Dein Vater wird dich suchen, Niemand«, warnte Nöckel.
»Außerdem solltest du dich in der Nacht nicht draußen herumtreiben. Das ist zu gefährlich«, mahnte auch Pin.
»Mein Vater sucht mich nicht, er lässt mich von der Roten Armee holen. Aber er darf Nina nicht finden. Wenn er von ihr erfährt, wird er wütend sein. Auch auf euch. Noch weiß er nicht, dass ihr die Grenzen nicht mehr verteidigt.«
Nöckel blickte beschämt zu Boden.
Niemand Sonst hatte überall im Land seine Spione, die ihm Bericht über alles erstatteten, was er zu wissen wünschte. Er hatte aber anscheinend nie verlangt, die Grenzpatrouillen zu kontrollieren, vermutlich konnte sich Niemand Sonst nicht vorstellen, dass sich die Niemandsländer gegen seinen Befehl stellten. Dafür ließ er Niemand beschatten, denn er hasste es, dass sein Sohn gegen ihn rebellierte. Doch Niemand wusste sich geschickt zu verstecken und einige der Untertanen seines Vaters sahen weg, wenn sich Niemand davonschlich oder an der Grenze aufhielt, zu der Niemand Sonst ihm verboten hatte zu gehen. Aber von Nina würden sie berichten, denn eine Nina gab es noch nicht im Niemandsland. Und Niemand ahnte, nein – er wusste, dass er für Nina mehr als einige Tage im Turm riskierte.
Niemand hasste seinen Vater! Und doch glaubte Niemand, dass er ihn auch liebte.
»Psst!«, flüsterte einer der Laberköppe. »Ich hab was gehört.«
Sie hielten den Atem an.
Nina presste eine Hand vor den Mund und drückte sich gegen Niemand, was aussah, als lehnte sie sich gegen eine unsichtbare Wand. Beschützend legte er seinen Arm um Ninas Schulter und roch an ihren blonden, schulterlangen Haaren, die nicht wie Spaghetti, sondern wie
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