Night School 02 - Der den Zweifel saet
Zeit.« Sie richtete sich in ihrem Sessel auf. »Aber bevor wir weiter darüber sprechen, möchte ich mich mit dir noch ein bisschen über den Vorfall in London unterhalten und dir erklären, wie es weitergeht.«
Nach außen zeigte Allie keine Reaktion, doch ihr Herz begann vor Aufregung schneller zu klopfen.
»Wie du inzwischen sicher weißt«, fuhr Isabelle fort, »hätte neulich in London jemand da sein sollen, der euer Haus beobachtet – wenn du zu Hause warst, war immer jemand da.«
Allie nickte.
»Aber der Wachposten ist kurz nach 23 Uhr gegangen, nachdem er einen panischen Anruf von seiner Frau bekommen hatte, dass sein Kind ernsthaft erkrankt sei. Er hat Raj angerufen, um ihn zu warnen – er hat sogar mit Raj gesprochen, der seine Abwesenheit auch noch persönlich abgesegnet hat.«
An dieser Stelle stockte Isabelle, und Allie spürte, wie sie an den Armen eine Gänsehaut bekam. Noch ehe die Rektorin fortfuhr, wusste Allie schon, wie es weiterging.
»Nur dass Raj diesen Anruf nie erhalten hat. Er hat überhaupt nicht mit dem Mann gesprochen. Und die Frau des Wachmanns hat ihren Mann gar nicht angerufen. Und dem Kind fehlte auch nichts.«
»Nathaniel«, hauchte Allie.
Isabelle nickte. »Der Einzelverbindungsnachweis stützt die Geschichte des Wachmanns – er hat Raj tatsächlich angerufen, und das Telefonat dauerte mehrere Minuten. Bloß, dass der Anruf umgeleitet wurde.«
Erinnerungen an jene Nacht kamen hoch – die lauten Schritte, die sie verfolgten –, und Allie hätte am liebsten irgendwo gegengehauen.
»Aber wieso?« Zornig setzte sie ihren Becher ab; der Tee schwappte gefährlich. »Wieso tut er das, Isabelle? Ich versteh das nicht. Was ist an mir so wichtig?«
Isabelle lehnte sich zurück und schloss für einige Zeit die Augen. Als sie sie wieder öffnete, schien sie eine Entscheidung getroffen zu haben.
»Nathaniels Obsession hat eine lange Vorgeschichte«, sagte sie. »Wenn ich versuchen würde, dir die zu erklären, säßen wir morgen früh noch hier. Aber zumindest so viel solltest du wissen: Er ist eigentlich nicht hinter dir her. Sondern – hinter mir.«
»Hinter dir?« Allie wurde lauter. »Das verstehe ich nicht.«
Isabelle rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. »Es würde wirklich zu lange dauern, dir die ganze Geschichte zu erzählen, aber ich will mal so viel sagen: Er und ich haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie es in dieser Welt zugehen sollte. Doch weil ich Lucindas Ohr habe, ist mein Einfluss größer. Nicht, dass sie das täte, was ich ihr sage, aber sie hört mir wenigstens zu.« Nachdenklich nahm sie einen Schluck Tee. »Und genau das versucht Nathaniel zu ändern.«
Mit zerfurchter Stirn saß Allie da und versuchte, die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen. »Tut mir leid. Ich versteh’s trotzdem nicht. Um was genau geht es ihm?«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Nathaniels Besessenheit ist eine Form von Wahnsinn. Dass man das nicht versteht, ist logisch.« Isabelle lächelte traurig. »Ihm geht es nicht um Cimmeria. Das ist nur ein Sprungbrett, verstehst du? Worum es ihm geht, das ist die größere Organisation, von der Cimmeria und die Night School nur Teile sind. Lucinda steht dieser Organisation vor. Und ich bin ihre engste Beraterin.« Sie betrachtete Allie, als wollte sie sicherstellen, dass diese die Wichtigkeit ihrer Aussage begriff. »Wir sind eine mächtige Organisation … Und er will die ganze Macht.«
Allie sah sie verständnislos an. »Wie will er denn nur durch Cimmeria die ganze Organisation an sich reißen?«
»Das ist schwer zu erklären. Aber mit Cimmeria hat alles angefangen, dieses Internat ist – wenn man so will – das Herzstück der ganzen Gruppe. Der Cimmeria-Aufsichtsrat schmeißt nicht nur hier den Laden. Er schmeißt den
ganzen
Laden.« Sie machte eine ausholende Bewegung mit den Armen. »Nathaniels Plan ist deshalb, erst mich und dann Lucinda loszuwerden. Er glaubt, dass der Aufsichtsrat dann ihn mit der Leitung betraut. Ein absoluter Wahnsinnsplan, aber er glaubt fest daran, dass es funktionieren wird. Er versucht schon seit einiger Zeit, uns das Wasser abzugraben – es so aussehen zu lassen, als ob ich nicht mal eine Schule in den Griff kriege, geschweige denn …«
Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie vollendete den Satz nicht.
»Na ja«, sagte sie schließlich. »Jetzt hast du so eine ungefähre Vorstellung.« Sie streckte die Hand aus und rückte einen Stapel Papier am Rand ihres
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