Night School 02 - Der den Zweifel saet
her.
»Rachel? Hey. Du kannst doch nicht einfach so wegrennen. Ich habe gerade ungefähr hunderttausend Regeln gebrochen, weil ich dir das alles erzählt habe, und du reagierst …«
Sie hatte Rachel eingeholt und berührte sie am Arm. »Was ist denn los?«
»Ich kann … einfach nicht glauben, dass du nach all dem, was diesen Sommer passiert ist, da immer noch mitmachen willst.« Rachel presste die Bücher gegen die Hüfte und strich sich eine verirrte dunkle Locke aus den mandelförmigen Augen. In ihrem Blick lag Wut. »Ich hab dich irgendwie für schlauer gehalten.«
»Hey …«, sagte Allie betroffen. »Och, Rachel. Jetzt sei nicht so gemein. Lass uns darüber reden.«
»Du findest mich gemein?« Rachel schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich versuche nur, dich vor etwas zu bewahren, Allie. Die Night School ist nicht bloß so eine Schulsache – so was Abgefahrenes, auf das man später gern zurückblickt, wenn man alt und verschnarcht ist. Da ist man
lebenslänglich
dabei. Und ich hab gesehen, was das mit meinem Dad gemacht hat, Allie.
Er gehört denen regelrecht.
Auf immer und ewig. Du solltest da nicht mitmachen. Aber wenn du’s schon tust …« Sie trat einen Schritt zurück. »Dann ohne mich. Lass uns einfach nicht mehr drüber reden. Du könntest dir ziemlich großen Ärger einhandeln –
riesigen
Ärger –, wenn du mit mir oder sonst irgendwem, der da nicht mitmacht, über die Night School redest.«
Mit diesen Worten ließ Rachel sie stehen, und diesmal versuchte Allie gar nicht erst, ihr zu folgen. Sie blickte nur nach links und rechts, als wäre dort jemand, der ihre Bestürzung teilte.
»Was war das denn?«, murmelte sie und stieg die Treppe zum Mädchentrakt hinauf. Als sie die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, war sie derart in Gedanken vertieft, dass ihr erst, als sie eine Bewegung wahrnahm, auffiel, dass das Licht bereits brannte.
Sie prallte zurück und stieß einen Schrei aus.
»Hey«, sagte Carter schläfrig. »Nicht die Polizei rufen. Ich bin’s nur.«
Immer noch wütend auf Rachel, funkelte Allie ihn böse an. Nur langsam beruhigte sich ihr Herzschlag wieder.
»Was machst du denn hier?« Obwohl der ganze Gebäudeflügel praktisch leer war, senkte sie ihre Stimme automatisch zu einem Flüstern; für Jungs war der Mädchentrakt verboten. »Du hast mich total erschreckt!«
»Sorry – ich hab nur auf dich gewartet, damit wir reden können.« Carters dunkle Haare waren zerstrubbelt, sein Gesicht gerötet. »Ich bin wohl eingepennt. Du warst aber auch ewig weg.«
»Tja, zuerst musste ich mit Isabelle reden, und dann mit Rachel. Die war so was von stinksauer auf mich.«
»Rachel? Stinksauer?« Carter legte den Kopf schief. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Was ist denn passiert?«
Allies Zorn war noch nicht verraucht, und so legte sie los, ohne nachzudenken. »Ich hab ihr gesagt, dass ich demnächst bei der Night School mitmache, und sie hat vom Leder gezogen, von wegen, wie ich mir damit mein Leben versauen würde und dass ich blöd sei und dass das alles böse … Was hast du denn?«
Carter ließ die Hände sinken und starrte sie an. »Du machst bei der
Night School
mit? Hat Isabelle das gesagt?«
Wieso reagiert eigentlich niemand so, wie ich dachte? Wieso freut sich keiner über diese Riesenchance für mich? Wo bleibt die Unterstützung?
»Meine Güte, was ist denn mit euch allen los?«, fragte sie und warf die Hände in die Luft. »Freut sich denn so gar keiner für mich?«
»Tut mir leid«, sagte Carter. »Ich bin einfach nur überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet … Wir haben nie darüber geredet. Das ist schon ein ziemlicher Schritt, Allie.«
»Das weiß ich auch. Ich bin ja nicht bescheuert«, fuhr sie auf. »Ich war einfach nur sehr aufgeregt deswegen, und deshalb musste ich mit irgendwem darüber reden. Aber ihr reagiert alle so, als hätte ich euch gerade erzählt, ich hätte
Tuberkulose
. Und jetzt bin ich … Ach, was soll’s!«
Wie ein Häufchen Elend ließ sie sich aufs Bett fallen.
Sogleich setzte sich Carter neben sie, nahm ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Selbst in ihrer Trübsal gefiel ihr, wie sich seine Hand anfühlte – warm und stark.
»Ich freu mich ja, dass du so begeistert bist. Du hast mich bloß … völlig überrumpelt. Ich brauch erst mal ein paar Minuten, um das alles … zu verarbeiten. Was genau hat Isabelle denn gesagt?«
»Sie hat gesagt, ich hätte unter Druck Haltung bewiesen oder so was, also neulich in
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