Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen
wir herausfinden, wie viele wir noch sind.«
Unter den Lehrern erhob sich unzufriedenes Grummeln. »Es sind ja nicht bloß die Schüler«, sagte eine Kollegin. »Sarah Jones ist auch weg.«
Ein Raunen ging durch den Saal. Jemand schnappte hörbar nach Luft. Allie musste kurz überlegen, ehe ihr aufging, dass damit wohl eine von den Biologielehrerinnen gemeint war.
»Sind Sie sicher?«
»Ihr Zimmer war jedenfalls leer, als ich auf dem Weg hierher bei ihr vorbeischauen wollte«, sagte die Frau. Sie sah ziemlich mitgenommen aus. »Wir sind befreundet. Ich hatte keine Ahnung, dass sie auf Nathaniels Seite ist.«
Isabelle nahm sich nicht die Zeit, sie zu trösten. »Weiß sonst noch jemand von Lehrern, die fehlen?«
»Darren Campbell hab ich auch nicht mehr gesehen«, rief es von hinten. Erneute Unruhe war die Folge.
»Und wo steckt eigentlich Ken Brade?«, fragte einer von den Mathelehrern.
»Der ist draußen vor der Tür und hilft Zelazny«, beeilte sich ein Kollege zu versichern.
Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Gruppe wie eine frische Brise. Wenigstens auf diesen Lehrer schien Verlass zu sein.
»Das muss ich genauer wissen«, sagte Isabelle. »Ich brauche zwei Freiwillige, die überprüfen, wer vom Lehrpersonal fehlt.«
Als sich zwei Lehrer gefunden hatten, stieg Isabelle von ihrem Podest herunter. Sofort wurde sie von einem Schwarm besorgter Lehrer umlagert, doch sie bahnte sich entschlossen ihren Weg durch die Menge.
»Das weiß ich nicht«, erwiderte sie gebetsmühlenhaft. »Das besprechen wir in unserer Sieben-Uhr-Sitzung. Bis dahin habe ich auch alle Fakten.«
Als sie Allie entdeckte, zog sie die Augenbrauen hoch und warf ihr einen stählernen Blick zu. »Mitkommen!«, sagte sie und krümmte dabei den Zeigefinger.
Dann packte sie Allie am Arm und bugsierte sie geschwind durch die Menschenansammlung in den Flur hinaus. Wo, wie von Zauberhand herbeigerufen, zwei von Rajs Wachleuten auftauchten und sie zu ihrem Schutz flankierten.
»Hat Jules es geschafft?«, fragte Allie drängend. »Und was ist mit Katie?«
Isabelle wirbelte herum und sah sie an: »Du gehst jetzt bitte sofort zum vereinbarten Ort, bis alles vorbei ist«, sagte sie. »Ich kann für deine Sicherheit momentan nicht garantieren. Dafür passieren hier gerade zu viele Sachen gleichzeitig.«
»Aber ich kann mich doch nicht einfach so verstecken, während es hier rundgeht«, begehrte Allie auf. »Ich möchte mithelfen.« Im selben Moment ging ihr auf:
Ich rede genau wie Zoe.
»Du kannst uns nicht helfen. Jetzt kann uns niemand mehr helfen.« Für den Bruchteil einer Sekunde bröckelte Isabelles Fassade, und Allie sah die Qual in ihren Augen. »Geh jetzt zur vereinbarten Stelle! Raj hat dort überall Wachen postiert. Falls du unterwegs zufällig den anderen begegnest, schick sie dorthin zurück – aber geh sie nicht
suchen
! Keinen von ihnen.«
Allie machte den Mund auf, um zu widersprechen, doch Isabelle packte sie so fest am Arm, dass sich ihre Fingernägel in Allies Arme bohrten. Mit so viel Energie hatte sie nicht gerechnet.
»Jetzt hör mir mal zu! Hast du auch nur eine Sekunde geglaubt, dass all diese
Fahrer
«, sie spie das Wort geradezu aus, »die sind, die sie zu sein vorgeben? Sie haben alle die richtigen Papiere, aber …
schau sie dir doch an!
Das sind gut ausgebildete Security-Leute. Nathaniels Leibgarde – und die hat sich jetzt über unsere ganze Schule verteilt!« Einen kurzen Augenblick lang vergaß sie sich und schüttelte Allie heftig durch. »Ihr müsst an einen sicheren Ort – und zwar alle, sofort! Wenn die einen von euch in die Finger kriegen, würde ich es erst mitbekommen, wenn es schon zu spät ist. Ich kann euch gerade überhaupt nicht beschützen, und deshalb liegt unser Plan auf Eis, bis die Sache hier vorbei ist. Und jetzt verschwinde!«
Ihr wilder Auftritt hatte den gewünschten Effekt. Kaum hatte Isabelle sie losgelassen, da rannte Allie auch schon davon. Doch sie dachte nicht so sehr an sich selbst, und trotz Isabelles Ermahnung war es nicht der Keller, dem sie zustrebte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, spurtete sie die Treppe hinauf, während sie in ihrem Kopf die ganze Zeit nur ein einziges Wort hörte, wie ein Alarmsignal.
Rachel.
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Zweiunddreißig
Ich habe sie da ganz allein gelassen. Wenn ihr was passiert ist …
Allie raste hinauf in den Mädchentrakt. Erst dachte sie, ihr Keuchen käme vom Rennen, doch dann merkte sie zu ihrem Entsetzen, wie sich ihr Gesichtsfeld
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