Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen
wollte auf die Treppe zustürmen, doch Sylvain hielt sie am Arm zurück, zog sie zu sich heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Zoe machte ein ernstes Gesicht und nickte. Sie warf Allie noch einen Blick zu und verschwand dann in der Dunkelheit.
Nachdem sie fort war, befiel die anderen ein Gefühl von Beklemmung. Die Zeit schien sich zu dehnen – die Zeiger auf Allies Uhr liefen im Schneckentempo.
Um sich zu beruhigen, stand sie auf und schritt die Wände des alten Gemäuers ab. Da es schon lange nicht mehr genutzt wurde, fanden sich hier lediglich noch ein paar alte Kisten und staubige Ziegelsteinstapel. Die wenigen alten Wandlampen, die noch nicht den Geist aufgegeben hatten, sendeten durch verschmutzte Glasschirme ein matt flackerndes, gelbliches Licht aus.
Allie sah sich um. Nicole sprach leise auf Emma ein. Carter stand wie ein Wachtposten am Fuß der Wendeltreppe, die Hände in den Taschen, mit undurchdringlicher Miene. Sylvain lehnte gedankenverloren an der Wand.
Draußen begann es dunkel zu werden. Allie dachte an Rachel, allein mit Nathaniel und Gabe. Schutzlos. Verängstigt.
Ein Schluchzen wand sich in ihre Kehle hinauf, doch sie drängte es zurück – sie durfte die Konzentration nicht verlieren.
Sie schob die Hände in die Taschen ihres Rocks. Ihre Finger ertasteten das blutbesprenkelte Blatt Papier, das Nathaniel für sie dagelassen hatte. Sie zog es hervor, glättete es sorgfältig und las den Brief noch einmal, Wort für Wort.
Plötzlich richtete sie sich auf. Sylvain hob den Kopf und warf ihr einen fragenden Blick zu.
Allie hielt den Zettel in die Höhe. »Ich glaub, ich weiß jetzt, was wir tun müssen!«
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Dreiunddreißig
Sie saßen im Kreis versammelt, und Allie war gerade dabei, ihren Plan in den Staub des Kellerbodens zu malen, als plötzlich im Treppenhaus schwere Stiefeltritte zu hören waren. Sofort sprangen alle auf und rannten zur Treppe.
Carter sah blass, aber entschlossen aus; er hatte trotzig den Kiefer vorgeschoben. Nicole wirkte weniger angespannt. In der Hand hatte sie ein dickes Brett, das sie wie einen Polizeiknüppel hielt, und Allie hatte den Eindruck, dass sie es liebend gern benutzen würde. Allie und Sylvain postierten sich links und rechts vom Kellereingang. Allie nahm noch schnell einen Ziegelstein in die Hand, dann kamen auch schon die Männer aus dem Treppenschacht gestürmt. Sie trugen schwarze Uniformen, wie normalerweise Rajs Wachleute, doch das hatte inzwischen ja kaum mehr etwas zu sagen. Sie hatten gelernt, dass man auf Bekleidung nichts geben durfte.
»Kennt die jemand?«, rief Carter drängend.
Postwendend kam die Antwort: »Nein!«
Einer weiteren Einladung bedurfte es nicht für Nicole. Sie holte aus und ließ das Brett mit aller Kraft in die Magengrube des ersten Mannes sausen. Überrascht und schmerzerfüllt stöhnte er auf. Allie stürzte vor, den Ziegelstein in der Hand.
»Aktion abbrechen!« Rajs Stimme kam aus dem Nichts und stoppte sie mitten in der Bewegung – der Ziegelstein fiel ihr aus der Hand. Verwirrt fuhr sie herum und sah Raj aus dem engen Gang kommen, mit Zoe an seiner Seite. »Das sind die Guten!«
Seine Klamotten starrten vor Dreck, und er hatte ein paar neue Falten im Gesicht, aber er wirkte nicht im Geringsten, als hätte man seine Pläne durchkreuzt.
Während Nicole ihrem Opfer entschuldigend die Hand reichte, ging Allie zögernd auf Rachels Vater zu. Wie sollte sie ihm beibringen, was passiert war? Gab es überhaupt Worte, die erklären konnten, wie ihr zumute war?
Aber er ließ sie gar nicht zu Wort kommen, sondern schloss sie in die Arme. »Ich weiß schon, was passiert ist«, sagte er mit rauer Stimme. »Wir holen sie da raus!«
»Es tut mir so leid, Raj«, rief Allie und kämpfte mit den Tränen. »Das ist alles meine Schuld!«
»Unsinn«, sagte Raj und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt, damit sie seine Entschlossenheit sehen konnte. »Es ist einzig und allein Nathaniels Schuld. Und wenn wir ihn kriegen, dann werde ich ihn ganz genau spüren lassen, wie ich das alles finde.« Seine Augen bekamen urplötzlich etwas Raubtierhaftes, Gefährliches.
Doch so schnell der Ausdruck aufgeblitzt war, so schnell war er auch wieder verschwunden, und Raj, wieder ganz Herr seiner selbst, sah sich im Raum um. »Alles klar mit euch?«
Alle nickten.
»Kann ich die Nachricht mal sehen?« Raj streckte die Hand aus.
Allie zögerte kurz. Noch vor ein paar Wochen hätte sie niemandem den Zettel gezeigt. Sie wäre
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