Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen
einer viel größeren Organisation … Cimmeria ist mächtiger, als du dir vorstellen kannst … Der Aufsichtsrat von Cimmeria ist auch der Aufsichtsrat der Organisation … Der Aufsichtsrat kontrolliert alles … Der Premierminister … Mehrere Minister kommen zum Ball … Lucinda ist die Vorsitzende des Aufsichtsrats … Die Regierung … Lucinda …
Wie kannst du das immer noch nicht wissen …?
»Die Night School kontrolliert die Regierung.« Allie wagte diese Worte nur zu flüstern, doch sobald sie sie ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie recht hatte.
»Nicht die Night School«, korrigierte Lucinda sie. »Sondern die Organisation.«
Reglos saß Allie da und versuchte, diese Informationen zu verarbeiten. Das alles überstieg ihr Vorstellungsvermögen. Und ihre Bereitschaft, es zu akzeptieren.
»Ich …«, begann sie müde. »Ich meine … Wie?«
Lucindas Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Wichtig ist nur, dass es so ist. Und wenn Nathaniel mich besiegt, wird all diese Macht ihm gehören. Dann wird er nicht mehr aufzuhalten sein.«
Allie stellte sich eine Welt vor, in der Nathaniel uneingeschränkt das Sagen hatte. Vor Schreck biss sie sich so fest auf die Lippe, dass sie einen bitteren Kupfergeschmack auf der Zunge schmeckte.
»Das darfst du nicht zulassen!«
Darauf hatte Lucinda nur gewartet. Sie stürzte sich auf die Gelegenheit. »Ich möchte ihn ja aufhalten. Aber das kann ich nicht ohne dich. Also, was ist … bleibst du und kämpfst mit mir?«
Jeglicher Zweifel war von Allie gewichen. Alles war so viel schlimmer, als sie gedacht hatte – so viel gefährlicher und furchteinflößender. Sie hatte keine Wahl, oder?
»Ja. Ich bleibe.«
»Gut.« Lucinda klang auf grimmige Weise erfreut. »Aber jetzt, da du weißt, was auf dem Spiel steht, erwarte ich von dir, dass du dich zu hundert Prozent einbringst. Und denk dran: Egal, wo du dich aufhältst, du bist immer in Gefahr – selbst in Cimmeria. Wir wissen nicht, wer der Spion in unseren Reihen ist, deshalb musst du ständig auf der Hut sein.«
»Das werde ich«, sagte Allie wie betäubt.
»Tu alles, was Isabelle von dir verlangt, ohne Murren«, fuhr Lucinda fort. »Ich vertraue ihr vollkommen, und du sollst das auch.«
Allies Augen wanderten zu der Rektorin, die immer noch dasaß, gedankenverloren mit einem Stift spielte und sie beobachtete. Vielleicht konnte Isabelle auch Lucindas Stimme durchs Telefon hören; ihr Blick war wachsam und wissend.
»Okay.«
»Es wird nicht leicht für dich«, warnte Lucinda sie. »Wegen des gestrigen Zwischenfalls hast du viel wiedergutzumachen. Isabelle wird dich bestrafen, und die Strafe wird nicht angenehm sein – sie hat sich sehr über dich geärgert. Ich erwarte von dir, dass du jede Arbeit, die Isabelle dir zuweist, ohne Murren ausführst, und sei sie noch so niedrig, anstrengend oder sinnlos. Und es muss Schluss mit dem Weglaufen sein. Ich kann dich nicht beschützen, wenn ich nicht weiß, wo du dich aufhältst. Außerdem erwarte ich, dass du künftig nicht mehr gegen die Internatsordnung verstößt. Diese Regeln sorgen dafür, dass du am Leben bleibst. Schließlich bist du trotz allem immer noch eine Schülerin, und deshalb musst du auch deinen Stoff aufholen und in allen Fächern Bestnoten bringen. Sind wir uns da einig?«
Allie schwirrte der Kopf von den vielen Forderungen. Sie nickte stumm. Dann erst wurde ihr bewusst, dass ihre Großmutter sie ja nicht sehen konnte.
»Ja«, sagte sie schließlich. »Sind wir.«
Doch Lucinda war noch nicht fertig. »Gut. Aber eins musst du dir klarmachen, Allie: Der kleinste Verstoß gegen unsere Abmachung, und die Sache ist geplatzt. Das ist das Letzte, was ich will, aber wenn’s sein muss, werde ich mich von dir trennen. Und es wird ganz bestimmt kein Vergnügen, auf sich allein gestellt zu sein. Das kann ich dir versprechen. Aber wenn du dich an alles hältst, worum ich dich gebeten habe, dann schwöre ich dir: Du bekommst deine Rache.«
Als Allie Isabelles Büro verließ, dämmerte es bereits.
Sie kam sich exponiert vor, wie sie da in ihren Straßenklamotten durch die Flure lief, umgeben von lauter Schülern in dunklen Blazern mit weißem Cimmeria-Wappen über dem Herzen. Obwohl sie den Kopf gesenkt hatte, spürte sie, wie man sie neugierig musterte, hörte das leise Flüstern und Kichern. Doch jedes Mal, wenn sie aufsah, wichen die Mitschüler ihrem Blick aus. Als wäre sie unsichtbar.
So schnell sie konnte, lief sie die Treppen zum
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