Night School. Der den Zweifel sät (German Edition)
hast.«
»Ich auch nicht«, grinste Rachel. »Die Therapiestunde ist vorbei. Rechnung folgt.«
Allie versuchte, Rachels Rat zu beherzigen. Sie achtete darauf, immer hübsch im Aufenthaltsraum zu bleiben und mit Jo Schach zu spielen. Besser gesagt: gegen Jo zu verlieren. Oder mit Zoe, die sich gern prügelte, zum Kickboxunterricht zu gehen. Oder beim Abendessen mit Rachel und Lucas zusammenzusitzen und sich über Schulkram zu unterhalten, der sie nicht die Bohne interessierte.
Sie versuchte auch brav, nicht in jedem Raum nach Carter Ausschau zu halten, die Kurse, die sie gemeinsam hatten, durchzustehen, ohne einmal in seine Richtung zu schauen, und nicht aufzusehen, ehe er hinausgegangen war.
Es half, dass Carter sich beim Essen nun zu Jules und ihren Freunden setzte. Dafür fassten alle anderen sie mit Samthandschuhen an und versuchten, sich nur ja auf keine Seite zu schlagen, obwohl die Loyalitäten zwangsläufig verteilt waren.
»Es geht mir echt auf den Keks, dass jetzt alles nach Team Carter oder Team Allie eingeteilt wird«, sagte Allie eines Abends nach dem Essen zu Jo, gegen die sie gerade eine Partie Blitzschach verloren hatte. »Aber darauf läuft es wohl hinaus.«
Sie saßen versteckt in einer Ecke des überfüllten Aufenthaltsraums auf dem Boden um ein niedriges Schachtischchen herum. Am Klavier spielte ein Junge die jazzige Version eines Rocksongs, ein paar Schüler tanzten. Im Raum herrschte die reinste Kakofonie, und Allie gefiel diese anarchische Stimmung beinahe.
»Darauf läuft es doch immer hinaus«, sagte Jo hochtrabend bedeutungsvoll. »Schach! He, du musst endlich lernen, deinen Turm einzusetzen. Der steht die ganze Zeit nur dumm rum … Ich hab übrigens schon schlimmere Fälle erlebt als deinen. Als Lucas und ich uns getrennt haben … Meine Güte, da war was los! Wir waren nämlich stinksauer aufeinander, das war hier wie … in Palästina.« Die Dramatik in Jos Tonfall amüsierte Allie. Jo hatte sich jetzt eine Woche lang am Riemen gerissen, und es tat gut, dass sie sich wieder ganz natürlich benahm. »Die anderen waren entweder für oder gegen einen, und mit denen von der Gegenseite redete man gar nicht mehr. Total verbissen. Aber ihr beide …« Wie geheißen, zog Allie ihren Turm, und Jo verdrehte die Augen. »Schachmatt! Mensch, Allie, du bist echt ’ne Niete … Ihr zwei wirkt gar nicht so, als wärt ihr so besonders sauer aufeinander. Die meiste Zeit ignoriert ihr euch doch gegenseitig, das macht es viel leichter. Für deine Freunde, meine ich. Für dich ist es ätzend, ich weiß.«
Allie half Jo, die Figuren neu aufzustellen. »Hast du mit Carter gesprochen?«
»Natürlich! Ich spreche jeden Tag mit ihm. Das ist ja das Beschissene an solchen Trennungen: Die Einzigen, die nicht miteinander reden, seid ihr beide!«
Allie saß mit dem König in der Hand da. »Wie geht’s ihm denn?«
»Traurig ist er. Und einsam«, sagte Jo mitfühlend. »Aber sonst kommt er absolut klar. Da ist er wie du. Lucas hilft ihm. Am liebsten würde er Sylvain umbringen, aber Jerry Cole sorgt dafür, dass die beiden sich nicht über den Weg laufen.« Als sie die Figuren aufgestellt hatte, hellte ihre Miene sich auf. »Hey, kommst du mit auf die Party? Oben bei der Burgruine?«
Nach einer Party stand Allie am allerwenigsten der Sinn, doch sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. »Welche Party? Davon hab ich ja noch gar nichts mitgekriegt.«
»Findet jedes Jahr statt. Freitag ist es wieder so weit. Ich geh auf jeden Fall hin. Es macht super Spaß und ist schön gruselig da oben. Wir machen ein Riesenlagerfeuer, grillen Marshmallows, trinken Wein und erzählen uns Gespenstergeschichten …«
»Sind wir da …« Allie biss sich auf die Zunge.
Sicher
hätte sie beinahe gesagt: sicher vor Nathaniel, sicher vor Christopher.
Haben wir Mr Patels Genehmigung?
Doch darüber konnte sie mit Jo nicht reden. »Ist die Party denn erlaubt, also dürfen wir da überhaupt sein?«, fragte sie stattdessen. »Ich meine, hat Isabelle kein Problem damit?«
»Alle fortgeschrittenen Schüler dürfen teilnehmen«, sagte Jo. »Und zu denen gehörst du ja. Alle werden da sein. Du musst unbedingt mitkommen.«
»Ich denk drüber nach«, antwortete Allie, obwohl sie gar nicht darüber nachdenken wollte.
Alle paar Tage besuchte sie Isabelle in ihrem Büro und fragte nach Nathaniel, und jedes Mal beschied Isabelle ihr, dass es über ihn oder den Spion im Haus nichts Neues gebe. Umgekehrt konnte Allie ihr
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