Nightschool. Du darfst keinem trauen
jetzt?«
Carters Gesichtszüge wurden weicher. »Schau, Allie, es ist einfach … Ich hab’s dir doch schon mal gesagt. Du bist einfach noch nicht lange genug hier, um zu verstehen, wie die Dinge hier laufen. Sei einfach vorsichtig, ja? Es ist nicht immer alles so, wie es aussieht. Und die Leute sind nicht immer die, für die man sie hält.«
Obwohl sein Tonfall nun freundlicher war, ließ seine Warnung sie frösteln.
Was ist das bloß für eine Schule? Was sind das eigentlich für Leute?
Die Sorge schlug ihr auf den Magen. Kann ich überhaupt jemandem vertrauen? Noch dazu Carter? Er ist mir von Anfang an auf die Nerven gegangen, aber hat er mich je angelogen?
Sie studierte sein ernstes Gesicht. Dann legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Danke, Carter.«
Überrascht hob er eine Augenbraue. »Wofür?«
»Du hast mich letzte Nacht vor meiner eigenen Blödheit bewahrt. Das ist jetzt schon das zweite Mal in 24 Stunden, dass du mich gerettet hast. In manchen Ländern würde ich dir jetzt mein Leben schulden oder mein Erstgeborenes oder so.«
Er lächelte verhalten, doch seine Augen waren immer noch wachsam. »Dann … glaub mir einfach beim nächsten Mal, okay?«
Sie nickte eifrig, doch alles, was sie sagte, war: »Okay.«
Carter lehnte sich zurück und trank einen Schluck Kaffee, bevor dieser ganz kalt wurde. Dann verengten sich seine Augen, und er starrte angestrengt auf irgendetwas hinter ihr. Allie drehte sich um. Auf der anderen Seite des Saals saß Sylvain und durchbohrte sie mit seinen Blicken. Sie konnte seinen heißen Zorn förmlich spüren.
Unerschrocken erwiderte Carter seinen Blick.
»Ach, du Scheiße«, murmelte Allie.
»Mit dem wirst du Ärger kriegen«, sagte Carter und sah ihr dabei ins Gesicht. »Er hat hier ziemlich viel Einfluss, und es wird ihm nicht gefallen, wenn er nicht bekommt, was er will. Und was er will, bist du.«
Furchtlos erwiderte Allie Sylvains Blick und sagte: »Tja, dann hat er wohl Pech gehabt. Denn er wird mich nicht kriegen.«
Sie schob ihren Stuhl zurück und stakste hinüber zu Sylvain, der im vorderen Teil des Raums saß. Seine Miene hatte immer noch etwas Einschüchterndes, doch sie war jetzt nüchtern. Sie beugte sich vor, bis ihre Hände auf der Armlehne seines Stuhls zu liegen kamen und ihr Gesicht nur noch Zentimeter von seinem entfernt war.
»Das war das schlimmste Date, das ich je hatte«, sagte sie in einem bedrohlich leisen Flüsterton. »Und das mit uns. Ist so was von. Vorbei.«
Sie wartete gerade so lange, wie es brauchte, um Sylvains überraschten Gesichtsausdruck noch mitzunehmen, dann spazierte sie zur Tür. Aus ihren Augenwinkeln sah sie, wie ein Lächeln über Carters Gesicht ging.
Während sie die Stufen zum Schlaftrakt der Mädchen nach oben stieg, zählte sie jeden einzelnen Schritt. Einundsechzig Schritte später öffnete sie die Tür.
Alles war noch so, wie sie es vor wenigen Stunden zurückgelassen hatte – die Schubladen ihrer Kommode standen immer noch offen, und auf dem Boden lagen noch die Klamotten, die sie bei ihrer überstürzten nächtlichen Kleidersuche kreuz und quer verstreut hatte.
Sie holte tief Luft, dann machte sie den zweiundsechzigsten Schritt und betrat das Zimmer, um es wieder so zu gestalten, dass sie sich sicher darin fühlen konnte. Zuerst hob sie die Kleidungsstücke auf und räumte sie weg, dann ordnete sie die Sachen auf ihrem Schreibtisch, obwohl die bereits geordnet waren, und machte die Tür des Kleiderschranks zu. Als schließlich alles seine perfekte Ordnung hatte, schloss sie noch den Fensterladen, um das Tageslicht draußen zu halten, schleuderte die Schuhe von sich und legte sich auf die Bettdecke. Sie war fix und fertig. Aber gleichzeitig auch viel zu aufgedreht, um schlafen zu können.
Eine halbe Stunde lang wälzte sie sich unruhig umher, und die Ereignisse der vergangenen Nacht wirbelten ihr durch den Kopf. Wer hat Ruth umgebracht? … Carter muss mich für eine totale Schlampe halten … War ich betrunken? Jo hat ja gesagt, der Champagner sei ganz schön stark … Aber Ruth war doch … Sie war doch …
Die dunklen, vernebelten Bilder von Ruths blutüberströmtem Körper lösten einen Brechreiz aus, sie fuhr senkrecht im Bett hoch. Ihr Herz hämmerte wie wild, und von ihren Händen tropfte der Schweiß.
Luft. Ich brauche frische Luft.
Sie sprang auf, stürzte an ihren Schreibtisch und riss das Fenster auf. Tageslicht strömte herein, und sie schnappte nach der warmen, frischen
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