Nimm mich, wie ich bin
plötzlich in diesem Moment, in dem sie eins waren, erkannte er die Wahrheit. Er war nicht verloren. Seit sie aus dem Flugzeug gestiegen war und in sein Leben getreten war, hatte er sich endlich gefunden.
Aber schon sehr bald würde sie nicht mehr hier sein.
12. KAPITEL
In diesem Sommer öffnete die Ferienanlage ziemlich spät, aber dafür geschah es dann mit größter Begeisterung. Sie vermieteten Bungalows und Hütten; unzählige Radfahrer tummelten sich auf den Wegen, und Bergsteiger erklommen den Gipfel. Auf dem Fluss wimmelte es von Kajakfahrern; die Souvenirläden konnten sich vor Kundschaft nicht retten.
Die anfallende Arbeit hielt alle in Atem. Lucy wurde schon sehr bald zurückerwartet, und der Gedanke daran erfüllte Chance mit gemischten Gefühlen. Also dachte er lieber gar nicht erst daran. Er war auf dem Weg zu seinem Jeep, als er Ally begegnete, die auf dem Weg vor dem Hotel stand und zum sich rasch bewölkenden Himmel hinaufsah.
Sie trug Shorts und eine ärmellose weiße Bluse, und um die schlanke Taille hatte sie sich einen Pullover gewickelt. Ihre Beine waren fest und sonnengebräunt, auch ihre Arme zeigten die Ergebnisse ihrer harten Arbeit hier und der vielen Stunden im Fitnesscenter des Hotels. Und hier stand er mit einem albernen Grinsen auf dem Gesicht und einer plötzlichen, nicht zu leugnenden körperlichen Reaktion auf Allys Anblick.
Er hatte völlig die Kontrolle über sich verloren.
Eigentlich hätte er seine Besessenheit von ihr überwunden haben müssen, denn schließlich hatten sie sich inzwischen viele Male geliebt und dabei viel Experimentierfreude gezeigt. Dennoch begehrte er sie immer noch genauso stark wie am Anfang – wenn nicht sogar noch mehr.
In diesem Moment drehte sie sich um und schenkte ihm das ganz besondere Lächeln, das nur er von ihr bekam. Ihre Augen leuchteten erfreut auf, und sein Verlangen wurde so überwältigend, dass es fast wehtat.
“Ich habe gerade an dich gedacht”, sagte sie leise. “An gestern Nacht.”
Er sah, dass ihre Brustspitzen sich unter ihrer Bluse deutlich abzeichneten, und sein Mund wurde auf einmal ganz trocken. Unwillkürlich hielt er den Atem an, als sie sich an ihn presste und ihm ins Ohr flüsterte: “Ich dachte an alles, was du gestern Nacht mit mir gemacht hast.”
Das tat er jetzt auch, und er konnte nur hoffen, dass niemand sie beide beobachtete.
“Ich dachte …”, sie drückte zarte Küsse auf seine Wange und Kinn, “… dass ich dich am liebsten von oben bis unten küssen würde.” Neckend berührte sie seinen Mund mit der Zungenspitze und biss ihn sanft in die Unterlippe.
Chance stöhnte auf und war einen Moment lang versucht, sofort mit Ally irgendwohin zu verschwinden, wo sie mit ihm tun konnte, was sie wollte. Diese Frau hat dich regelrecht verhext, flüsterte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf. Pass bloß auf!
“Ein Gewitter zieht auf”, sagte er und löste sich widerwillig von Ally. “Und ich muss Lebensmittel einkaufen.”
“Darf ich mitkommen?”
Bloß nicht, dachte er. Das ist viel zu gefährlich. “Ein anderes Mal, Ally.” Er wandte sich von ihr ab und ging zu seinem Jeep.
Sie folgte ihm. “Warum fällt es dir so schwer zuzugeben, dass ich dir etwas bedeuten könnte?”
Chance öffnete die Fahrertür des Jeeps und fragte sich, warum Frauen immer alles zu Tode analysieren mussten. “Verdammt, du bedeutest mir etwas.”
“Das ist mir klar. Ich weiß nur nicht, warum du es so ungern zugibst”, erwiderte sie.
Er stieg ein, ohne weiter auf sie zu achten.
Ally glitt auf den Beifahrersitz. “Hast du vor irgendetwas Angst, Chance?”
Er seufzte und rieb sich die Schläfen, die auf einmal unheilverkündend pochten. “Das ist keine gute Idee.”
“Nein? Gestern Abend warst du anderer Meinung, als du mich auf mein Bett geworfen hast und mir die Kleider …”
“Ich erinnere mich”, unterbrach er sie mit gepresster Stimme.
“Warum können wir im Schlafzimmer so vertraut miteinander sein, aber wenn wir uns draußen begegnen, schließt du mich aus?”
“Ich habe mich nicht geändert.”
Sie schüttelte traurig den Kopf. “Dann muss ich mich wohl verändert haben.”
“Ally …”
“Die Wolken sehen wirklich ziemlich finster aus”, bemerkte sie leichthin. “Es wird ein Gewitter geben. Ich liebe es, wenn es regnet.” Und bevor er etwas sagen konnte: “Bitte, lass mich mitfahren, ja? Wir brauchen nicht zu reden.” Sie lächelte schief. “Ehrenwort.”
Dem Himmel sei Dank,
Weitere Kostenlose Bücher