Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Schuldgefühl ausreden. Nur eines möchte ich Euch wissen lassen: Ihr könnt Euch nicht für alle Zeiten in eine selbstgewählte Gefängniszelle stecken – einfach nur dafür, dass Ihr seid, wer Ihr nun einmal seid, und tut, was ohne jeden Zweifel getan werden muss . Zu meinen Lebzeiten, als ich noch ›das große Spiel‹ gespielt habe, da habe ich entsetzliche Dinge getan oder befohlen – und das aus ungleich selbstsüchtigeren Gründen und mit deutlich weniger Berechtigung, als Ihr das je getan habt. Angenommen, Nahrmahn Baytz wäre nicht in Wahrheit schon längst tot: dann habe ich bloß einen Aufschub erhalten, mich eines Tages für meine Entscheidungen verantworten zu müssen. Irgendwann werde ich mich all den Dingen, die ich getan habe, stellen müssen . Ich kann nur darauf hoffen, dass letztendlich auch die eine oder andere meiner Entscheidungen für mich spricht. Fast würde ich darauf wetten, sollte dem tatsächlich so sein, dass ich diese Entscheidungen erst getroffen habe, nachdem ich Euch kennenlernen durfte, Merlin. Dieses Problem habt Ihr wenigstens nicht, und eines will ich Euch noch sagen, Merlin Athrawes: Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, da Ihr vor Gott treten müsst, wäre es mir eine Ehre, an Eurer Seite zu stehen. Und ich bin wahrlich nicht der Einzige, der so denkt. Es gibt so manchen Menschen, der Euch von Herzen liebt, Merlin – nicht den geheimnisvollen, todbringenden, mystischen Krieger, den wir als Seijin Merlin kennen, sondern einfach Euch: Merlin Athrawes. Wir wissen, was Ihr für uns getan habt, und wir wissen, welchen Preis Ihr dafür gezahlt habt – und immer noch zahlt. Wir gäben alles in der Welt darum, Euch diese Last abzunehmen. Aber das können wir nicht. Wir können lediglich versuchen, Euch dabei zu helfen, jene Last zu tragen … und deswegen bitte ich Euch darum, uns das auch zu gestatten.«
Wieder senkte sich Schweigen über die nachtschwarze Kammer: Schier endlose Lautlosigkeit mitten im Herzen eines Gewitters. Schließlich richtete sich Merlin langsam und bedächtig auf.
»Ich muss trotzdem die Verantwortung für meine Entscheidungen und mein Handeln übernehmen, Nahrmahn, wie auch immer meine Rechtfertigung dafür geartet sein mag«, sagte er leise. »Aber was die Liebe angeht, haben Sie voll und ganz recht. Wenn man genau genug hinschaut, sieht man, dass sie wirklich allgegenwärtig ist. Sie ist die Grundlage, das Fundament, auf dem wir stehen, wenn wir in der Welt rings um uns Ausschau nach einem Funken Anstand halten.«
»Ja, das stimmt«, pflichtete ihm Nahrmahn bei. »Und zu lieben bedeutet noch lange nicht, sich für den anderen zu opfern. Manchmal bedeutet es auch, das Opfer eines anderen zuzulassen, weil es diesem Menschen so wichtig ist. Und genau das seid Ihr, genau dazu seid Ihr geworden: der Mensch, der uns so wichtig ist – den wir so sehr brauchen! –, dass wir nicht tatenlos zusehen können, wenn Ihr Euch allein in einen dunklen Raum verkriecht und Euch von den Geistern der Verstorbenen heimsuchen und letztendlich auffressen lasst. Es tut mir leid, Merlin, aber das können wir einfach nicht zulassen.«
»Ganz schön stur, Ihr Safeholdianer«, gab Merlin mit einem schiefen Grinsen zurück.
»Ja, so sind wir eben. Und auch ganz schön gerissen. Ich zumindest bekomme in der Regel, was ich will.«
»Das ist mir auch schon zu Ohren gekommen.«
»Tja, man muss an seinen Ruf denken, nicht wahr?«
»Und Sie werden mich jetzt so lange piesacken, bis ich nach unten gehe und mich für das Abendessen zu Cayleb geselle?«
»Oh, zweifellos. Und danach werde ich Euch weiter piesacken, bis Ihr ein langes und mit Verlaub auch längst überfälliges Gespräch mit ihm, Sharleyan und Maikel geführt habt. Vielleicht sogar in Anwesenheit von Ohlyvya und meiner Wenigkeit. Cayleb hat den Fehler gemacht, Eurer Privatsphäre entschieden zu viel Bedeutung beizumessen. Deswegen hattet Ihr viel zu viel Zeit zum Grübeln. Nur deswegen hattet Ihr Gelegenheit, die Verantwortung gleich für die ganze Welt zu übernehmen. Ich hingegen bin entschieden zu skrupellos, mir einen solchen Fehler zu leisten.«
»Stimmt«, gab ihm Merlin mit einem theatralischen Seufzen recht. »Also kann ich genauso gut gleich aufgeben, nicht wahr? Damit sparen wir beide reichlich Zeit und Kraft.«
»Sehr vernünftig von Euch!«
»Dachte ich mir doch, dass Sie das so sehen würden.«
Wieder huschte ein Lächeln über Merlins Gesicht. Seine Saphiraugen waren immer noch so dunkel, dass sie fast
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