Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
studiert – Ihr habt sie erlebt . Ihr wart damals dort. Ihr habt mit eigenen Augen gesehen, was allem widerfahren ist, das Nimue Alban je etwas bedeutet hat – und jedem, der Nimue Alban je am Herzen gelegen hat. Also erklärt mir doch bitte noch einmal, Ihr hättet tatsächlich die Wahl gehabt, nicht die Dinge zu tun, die Ihr auf Safehold getan habt! Sagt mir geradewegs ins Gesicht, dass Ihr hättet fortgehen können – und auf diese Weise zulassen, dass der Menschheit erneut genau das geschieht, was die Terra-Föderation bereits erlitten hat!«
Merlin schwieg. Nahrmahn tat es ihm gleich, und dann entspannte sich die Miene des Fürsten von Emerald, der nun in einem ganz eigenen Reich lebte.
»Während ich mir die Geschichte der Menschheit und der Kriegführung angeschaut habe, bin ich über etwas gestolpert, was viele Namen hat: ›Frontneurose‹, ›Kriegsmüdigkeit‹, ›posttraumatische Belastungsstörung‹ und noch zahlreiche andere. Aber dahinter steckt ein sehr wichtiges Konzept. Und dann gibt es noch etwas, mit fast ebenso vielen verschiedenen Namen, die wiederum alle das Gleiche bedeuten. Besonders gut fasst es für mich ›Überlebenden-Syndrom‹ zusammen: Man fühlt sich schuldig, weil man im Gegensatz zu anderen überlebt hat. Ich wüsste wirklich niemanden auf der ganzen Welt – ach, im ganzen Universum! – zu benennen, der eher das Recht hätte, an diesen beiden Dingen zu leiden, als Nimue Alban … und damit auch Ihr, Merlin. In Eurer Seele brennen nicht nur Merlins Schuldgefühle und der Schmerz, sondern auch Nimues. Und Ihr dürft nicht Nimue – und auch Euch selbst – dafür strafen, dass sie immer noch lebt, während alle anderen, die sie je gekannt hat, längst tot sind. Und genauso wenig dürft Ihr Euch selbst dafür strafen, dass Ihr hier auf Safehold gar keine andere Wahl hattet, als genauso zu handeln, wie Ihr es getan habt .«
»Ich kann mir doch keinen Freibrief ausstellen, Nahrmahn«, meinte Merlin leise, schloss wieder die Augen und ließ sich das Gesicht nassregnen. »Ich kann nicht einfach ein allwissendes, gottartiges Wesen sein, das durch die Welt streift und entscheidet, wer leben darf und wer sterben muss. Ich kann nicht einfach Menschen erschlagen und mir dann selbst sagen, das sei völlig in Ordnung so. Schließlich hätte ich ja ›keine andere Wahl‹ – als würde mich das von meiner Schuld lossprechen oder das Blut fortwaschen, das an meinen Händen klebt! Nimue Alban hat einen Eid geleistet, die Menschheit zu beschützen und zu verteidigen, Nahrmahn – beschützen und verteidigen! Wahrscheinlich hat sie dabei Tausende, vielleicht sogar Hunderttausende Gbaba getötet oder zumindest zu deren Tod beigetragen. Und: ja, sie war es unendlich leid, dass ihr Leben nur noch aus Töten und Tod bestand. Sie hat dabei gewusst, dass das alles letztendlich völlig bedeutungslos ist. Aber ich bin immer noch sie – und meine Aufgabe lautet, Menschen zu retten, und nicht, sie umzubringen. Wenn ich zu dem Schluss komme, die Dringlichkeit meiner Mission würde mich berechtigen, jeden zu töten, dessen Tod mir notwendig erschiene, wäre ich keinen Deut besser als einer von Zhaspahr Clyntahns Inquisitoren. Vielleicht bin ich ja immer noch besser als er selbst . Aber ich tue immer noch das, was ich tue, weil ich glaube – aufrichtig glaube! –, es müsste unbedingt geschehen. Ist das nicht eine treffende Beschreibung für einen überzeugten Schueleriten?«
»Ja, richtig, das ist es, die eines Schueleriten wie … na, sagen wir: Paityr Wylsynn«, erwiderte Nahrmahn. »Ich kann mich nicht erinnern, dass er je in seinem Leben aus einer Laune heraus gehandelt oder etwas Selbstsüchtiges oder unnötig Grausames getan hätte … und das beschreibt auch Euch ziemlich treffend, Merlin.«
»Ach, na klar!«, versetzte Merlin verbittert. »Warum sprechen Sie mich denn nicht gleich heilig?!«
»Nun, ich war immer der Ansicht, die weitaus meisten Heiligen müssen zu Lebzeiten Nervensägen gewesen sein«, erwiderte Nahrmahn nachdenklich. »Natürlich hatten die Männer und Frauen, die Mutter Kirche für die Heiligsprechung ausgewählt hat, auch nicht ganz die Weltanschauung, die ich bei mir selbst entdeckt habe.«
Merlin musste unwillkürlich – und zu seiner eigenen Überraschung – lächeln.
»Merlin …« Nun klang Nahrmahn wieder sehr sanft. »Ich bitte Euch hier doch nicht darum, sich ab sofort nicht mehr verantwortlich für Euer Handeln zu fühlen. Ich will Euch nicht einmal das
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