Noch ein Tag und eine Nacht
dort festzuhalten. Ich tippte sie ein und schickte sie Silvia. Ich hätte sie auch unter »Entwürfe« speichern können. Aber das fiel mir grad nicht ein, und deshalb schickte ich sie Silvia. Zwei Minuten später rief Silvia an.
»Was hast du mir denn da für eine Nachricht geschickt?«
»Die Frau aus der Straßenbahn. Ich habe heute mit ihr gesprochen. Wir haben zusammen einen Kaffee getrunken.«
»Dann hast du also endlich den Mut gehabt, sie einzuladen!«
»Ehrlich gesagt… heute hatte ich zwar den Mut, sie einzuladen, aber ich habe auch erfahren, dass sie von morgen an in New York leben wird. Was ich dir geschickt habe, ist ihre neue Büroadresse, ich hatte nichts anderes zum Aufschreiben. Notier’s dir irgendwo und gib mir dann den Zettel. Sehen wir uns heute Abend?«
»Heute ist du weißt schon welcher Tag, deshalb kann ich heute nicht. Morgen?«
»Morgen.«
Ich ging zur Arbeit. Im Gehen bekam ich eine Nachricht von Silvia.
Sie schickte mir die Adresse zurück, die ich ihr geschickt hatte. Silvia ist echt schlau. Wobei ich vielleicht oft auch einfach nur ein bisschen wirr bin.
Wie dem auch sei, auf der Arbeit wollte ich sie gleich irgendwo notieren… und so geschah es.
Der »Scheinkauf«
An dem Abend, als Michela ihren Abschied feierte, war Silvia nicht da, um mich zu trösten. »Heute ist du weißt schon welcher Tag«, hatte sie gesagt. Das ist die Umschreibung des ersten Tags ihres Menstruationszyklus, und weil Silvia eine nach hinten geknickte Gebärmutter hat, muss sie da wegen der Schmerzen oft im Bett bleiben.
Meine Geschichte mit der faszinierenden Frau aus der Straßenbahn war also schon Vergangenheit. Ich hatte ihr zwar heimlich die Adresse ihres neuen Büros in New York abgeluchst, doch ich wusste schon, wie es weitergehen würde. Die Adresse würde mit jedem Tag weniger interessant, und diese Geschichte würde enden wie die meisten meiner Phantasien.
Vor diesem Kaffee war sie ganze Tage lang in meinen Gedanken gewesen, und ich hatte mir alles Mögliche ausgemalt. Die Vorstellung, die ich von ihr hatte, war in meinem Kopf gewachsen, sie entsprach vielleicht nicht der Wirklichkeit, gefallen hatte sie mir trotzdem. Bei unserem kurzen Treffen in der Bar hatte sie mich nicht enttäuscht und auch nicht meine Phantasien zerstört, im Gegenteil, der kurze Moment, als wir uns in die Augen geschaut hatten, hatte mich sehr aufgewühlt.
Michela gefiel mir. Jetzt noch mehr als vorher. Schade.
Ich hätte nicht sagen können, warum ich die Einladung zu dem Fest nicht angenommen hatte. Wo ich doch gar nichts vorhatte. Kurz hatte ich sogar überlegt, umzukehren und ihr zu sagen, ich hätte es mir anders überlegt, ich würde doch zu ihrem Fest kommen, aber da war es schon zu spät. Und dann hatte mich plötzlich Dante in den Fängen.
An jenem Tag musste ich wie verrückt an sie denken. Daran, dass sie abreiste, daran, dass sie mich zu ihrer Feier eingeladen hatte, an den Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie sich mit mir unterhielt, an den Klang ihrer Stimme.
Nach Feierabend ging ich ins Einkaufszentrum. Wenn ich mies drauf bin oder nachdenken muss, mache ich gewöhnlich entweder einen Spaziergang durch die Stadt, oder ich gehe in den Mega-Supermarkt, den größten weit und breit, und mache einen »Scheinkauf«. Ich packe mir den Wagen mit Sachen voll, die ich mag und gerne hätte. Das hebt die Stimmung. Mit meinem Wagen kurve ich durch den Supermarkt und fülle ihn: Bretter, Kreissägen, Angelruten, Fahrradreifen, Campingzelte, Haushaltsgeräte, Farbeimer, Lebensmittel, Radfahrerkleidung, Rollerblades. Wenn ich befriedigt bin, lasse ich den ganzen Krempel einfach stehen und gehe nach Hause. Ich verspüre eine kindliche Freude, wenn ich alles in den Wagen lege, was schön ist und glitzert und noch den Geruch des Neuen an sich hat. Ganz besonders bei Schreibwaren ist das so, bei Radiergummis, Heften, Bleistiften und Federmäppchen.
Solange ich mich nicht der Kasse nähere, empfinde ich die Dinge als mein, ich besitze sie. Ein tolles Gefühl. Ich liebe es. Es entspannt mich total. Und wenn ich alles stehen- und liegengelassen habe, breitet sich gleich noch mal ein Glücksgefühl in mir aus, weil ich so viel Geld gespart habe, indem ich all diese Dinge nicht gekauft habe.
An diesem Abend habe ich Mofareifen, einen Tennisschläger, zwei Rollen Bälle sowie ein Mädchenfahrrad mit Stützrädern »scheingekauft«.
In der Kinderabteilung erblickte ich eine bildschöne Frau, die sich Spielzeug für ihren
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