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Noch lange danach

Noch lange danach

Titel: Noch lange danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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werden. Er hat eine große Familie, die viel Krach um ihn herum macht: Mutter, drei ältere Schwestern, zwei davon mit ihren Ehemännern, eine mit zwei kleinen Kindern. Und mitten im Wohnzimmer sein Bett. Aber jetzt schafft er’s nicht mehr aufzustehen. Deshalb. Ich glaube, dass er an dem Krakeel seiner Familie gar nicht mehr teilnimmt. Aber wenn ich mich über ihn beuge, lächelt er. Ich sag euch, das ist ein Lächeln, dass einem die Tränen kommen.
    Ja, er weiß es. Da bin ich mir sicher. Wenn er das noch nicht begriffen hätte, könnte er nicht so lächeln.
    Ich würde am liebsten den ganzen Nachmittag bei ihm bleiben. Auch wenn er kein Wort sagt. Wir brauchen ja nur an all das zu denken, was wir in diesem Schuljahr zusammen gemacht haben. Wenn der eine an der Tafel stand, hat der andere ihm eingeflüstert. Wir haben auch oft voneinander abgeschrieben. Er hat immer mit mir zusammen geputzt. Wenn er irgendwo Spinnweben sah und keinen Besen zur Hand hatte, hat er sie mit der Hand weggewischt. Mir ist dabei ganz schlecht geworden, denn ich habe Angst vor Spinnen. Ihr nicht?
    Ihr seid wenigstens ehrlich.
    Aber so lange, wie ich gern möchte, werde ich doch nicht bei Ronny bleiben. Mir geht der Lärm seiner Familie auf die Nerven. Außerdem kann ich mit ihm nicht über all das sprechen, worüber ich mir Gedanken mache. Das interessiert ihn nicht. Er spricht gern über Fußball. Aber der interessiert mich nicht.
    Und Mama wird auch schon warten.
    Wir? In unserer Wohnung weitermachen? Das mag meine Mama sicher nicht. Aber wenn ihr wollt, dann heute Nachmittag noch einmal hier in der Schule?
    Sicher wollt ihr jetzt erst mal etwas essen. Um wie viel Uhr wollt oder könnt ihr wieder hier sein? Um halb drei oder erst später?
    Das ist zu früh. Da bin ich noch nicht fertig.
    Gern. Hier auf dem Hof unter dem Dach?
    Also bis dann. Tschau!

20
    Hallo, hier bin ich wieder!
    Entschuldigt, dass ich euch habe warten lassen. Ich war doch länger, als ich vorhatte, bei Ronny. Er kam mir heute besonders blass und schmal vor. Früher war er ein Kraftpaket! Er ist zwar zäh. Aber ich glaube nicht, dass er noch lange durchhält.
    Er war ja ganz durchgeschwitzt. Und der Arzt war da. Seine Mutter hat geweint. Seine Schwestern auch. Und die Kinder haben geplärrt.
    Der Vater? Der sitzt im Knast.
    Den hat die Polizei erwischt, als er nachts in eine Villa in der Sperrzone eingestiegen ist. Es stand in der Zeitung. Dem Ronny hat das sehr zugesetzt.
    Das muss jahrelang ein Thema gewesen sein, das die Gemüter erhitzte. Omi hat mir erzählt, dass in der ersten Zeit nach der Katastrophe Plünderungen ein einträgliches Geschäft waren. Da haben es manche Ganoven geschafft, Millionäre zu werden! Trotz der Polizeistreifen, die durch diese leeren Straßen Streife fuhren – und noch immer fahren.
    Auch heute noch durchstöbern Diebesbanden diese Zone, inländische und ausländische. Obwohl alles, was sich dort befindet, lebensgefährlich verstrahlt ist. Und obwohl Plünderungen besonders streng bestraft werden, angeblich nicht nur wegen der Klauerei, sondern auch wegen der Gefahr, lebensgefährlich krank zu werden.
    Aber die Plünderer scheuen nicht die Risiken. Und es scheint sich zu lohnen: Sie finden noch immer dies und das. Natürlich wird denen, die erwischt werden, das Diebesgut abgenommen. Man kann es besichtigen. Aber für viele, auch kostbare Sachen interessiert sich niemand mehr. Manche Eigentümer sind schon gestorben, andere können sich gar nicht mehr genau an Einzelheiten ihres Besitzes erinnern, wieder anderen ist die Reise dorthin zu teuer, wo sie ihre Sachen ausgehändigt bekommen. Oder es geht um Stücke, die inzwischen altmodisch geworden oder technisch überholt sind.
    Die Polizisten? Die tragen auf ihren Streifen durch das Sperrgebiet Schutzkleidung. Hinter ihren Masken kann man sie kaum erkennen. Und sie dürfen sich auch nicht länger als höchstens zwei Stunden in der Sperrzone aufhalten. Dann werden sie abgelöst.
    Anfangs sind die meisten von ihnen krank geworden – trotz der Schutzkleidung. Der Opa von Emma aus der 6b war auch einer von diesen Polizisten. Manche haben sich nie wieder erholt.
    Warum Ronnys Vater das gemacht hat? Die Familie braucht dringend Geld …
    Ronny hatte fast die ganze Zeit, die ich dort war, die Augen geschlossen. Aber er war bei Bewusstsein. Als ich ihn gefragt habe, ob ich euch von ihm grüßen soll, hat er genickt.
    Bisher saß er hinter mir. Manchmal hab ich gedacht: „Schau ihn an. Bald

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