1130 - Zombieville
Sie hatte den Platz am Lenkrad übernommen. Es gab kein Licht in unmittelbarer Nähe, und wenn ich nach links schaute, sah ich sie wie einen Schattenriß. Sie war eine attraktive Frau, aber das war ihr jetzt nicht anzusehen. Das braune Haar hielt sie unter einer Mütze versteckt, sie trug dunkle Kleidung. Jacke, Hose, schwarze Schuhe mit griffigen Sohlen. Karina war eine Agentin, eine Kämpferin, die auch schon als Leibwächterin gearbeitet hatte und sich nun in Wladimir Glolenkows Dunstkreis bewegte, einem Mann, der in Rußland ähnliche Funktionen übernommen hatte wie Suko und ich in England.
Mein Freund Suko saß hinter Karina und mir auf dem Rücksitz des Wagens, der aussah wie ein Jeep, aber ein russisches Fabrikat war und sehr stabil sein sollte.
Davon hatten wir noch nichts bemerkt, wir verließen uns auf Karinas Aussagen und warteten darauf, endlich zu einem Erfolg zu kommen, denn es war die zweite Nacht, die wir uns um die Ohren schlugen.
Den Trip nach Rußland hätte ich mir gern einige Wochen früher gewünscht, denn es war inzwischen recht kalt geworden. Zwar noch ohne Frost, aber der konnte sehr schnell kommen.
Wir parkten auf einem etwas höher gelegenen Weg, dessen Einmündung in die normale Straße nicht weit weg lag. Die Sicht war gut, die Nacht klar, und so konnten wir auch das helle Lichtpaar beobachten, das über die Straße hinweghuschte.
»Er wird uns in die Falle gehen!« flüsterte Karina. »Er muß es einfach. Davon bin ich überzeugt!«
»Und was wird dann geschehen?« fragte Suko.
»Dann seid ihr an der Reihe. Oder glaubt ihr, ich hätte euch zum Spaß hier in meine Heimat gelockt?«
Das glaubten wir beide nicht. Ich mußte daran denken, wie alles begonnen hatte und danach sehr schnell abgelaufen war…
***
An einem Montag war es passiert. Hinter mir hatte ein Wochenende gelegen, wie ich es meinem schlimmsten Feind nicht gönnte. Wirklich durch Zufall war ich in eine mörderische Sache hineingeraten, bei der ein toter Mann seine Schwester ins Jenseits hatte holen wollen. Dank meiner Hilfe war es ihm nicht gelungen, und auch mein Kreuz hatte dabei eine große Rolle gespielt.
Der Fall hatte sich innerhalb weniger Stunden abgespielt. Für mich war das Wochenende trotzdem gelaufen gewesen, denn auch am folgenden Sonntag hatte ich mich gedanklich damit beschäftigt.
Geredet hatte ich mit keinem anderen Menschen über den Fall. Suko und Shao waren unterwegs gewesen, und erst am Montag im Büro hatte ich mit der Sprache herausgerückt.
Als Zuhörer hatte ich Glenda und Suko gehabt, die beide nicht wenig staunten und es kaum fassen konnten. Sie waren auch der Meinung, daß Typen wie ich das Unheil irgendwie anzogen, und ich wollte ihnen nicht einmal widersprechen.
Glenda, die frischen Kaffee brachte, schüttelte einige Male den Kopf. »Hättest du nicht Bescheid sagen können?«
»Das meine ich auch«, stimmte Suko ihr zu.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich wollte euer Wochenende nicht stören. Es hat ja auch so geklappt.«
»Und was ist jetzt mit dieser Michelle Maron?« fragte Glenda. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es so einfach verkraftet. Die Frau braucht sicherlich Betreuung und…«
Ich unterbrach sie. »Dachte ich auch. Aber sie war der Meinung, daß sie es allein schaffen würde und schon darüber hinwegkommt, wenn sie verreist.«
»Kann manchmal hilfreich sein«, bemerkte Suko.
Ich trank meine Tasse leer. »Das ist mir alles klar, aber sie wollte es nicht anders. Ich nehme an, daß Michelle jetzt schon in einem anderen Teil der Welt gelandet ist. Nur weg von London und von den Erinnerungen.«
Suko lächelte. »Dabei hat London eine neue Attraktion erhalten. Shao und ich haben zugeschaut.«
»Wobei denn?«
Glenda brummte mich an. »Kannst du dir das nicht denken, John? Es war doch die Sensation, als das Riesenrad, das größte der Welt, aufgerichtet wurde. Darüber haben selbst die Zeitungen auf dem Kontinent berichtet. Und jetzt steht es.«
»Toll. Wann machen wir die erste Fahrt?«
»Wenn wir viel Zeit haben und auch Lust, uns in eine Warteschlange einzureihen.«
»Das kann dauern.«
Eigentlich gefiel mir dieser Montag. Auch das Wetter hatte sich am letzten Tag wieder verbessert.
Der Nebel hatte sich gelichtet. Er würde gegen Mittag völlig verschwinden und der Sonne freie Bahn geben, die dann den Goldenen Oktober beleuchtete.
Auch Glenda freute sich. »Einen solchen Montag wünsche ich mir öfter. Viel Ruhe, kein Theater, keine Hektik, keine
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