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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Kapitel 1
    W umm!
    Mein Kopf knallte auf den Gehweg. Candy riss mich an den Haaren hoch und rammte mein Gesicht gegen den Asphalt.
    Wumm!
    »Schlag sie noch einmal!«, quiekte Michelle mit ihrer schrillen jugendlichen Stimme.
    Ich wusste, dass es ein Traum war, weil ich keine Schmerzen hatte. Trotzdem war die Angst da, der scharfe, heiße Schrecken, der mit hilfloser Wut durchmischt war. Es war die Art von Furcht, die einen Menschen in ein Tier verwandeln konnte. Die Dinge reduzierten sich auf ganz einfache Begriffe: Ich war klein, sie waren groß. Ich war schwach, sie waren stark. Sie taten mir weh, und ich erlitt die Schmerzen.
    Wumm!
    Mein Schädel prallte vom Straßenpflaster ab. Blut verschmierte mein blondes Haar. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Sarah aus dem Stand losrannte, wie ein Kicker vor einem Feldtor. Das Fleisch an ihrem Körper schien zu kochen. Knochen wuchsen, Muskeln umwickelten sie wie Zuckerwatte einen Stab, Haar spross und hüllte den neuen Körper, der halb menschlich, halb tierisch war, in einen Mantel aus sandfarbenem Fell, das mit typischen Hyänenflecken durchsetzt war. Die Bouda grinste mich an, zeigte mir das deformierte Maul voller Zähne. Ich verkrampfte mich, rollte meinen zehnjährigen Körper zusammen. Der krallenbewehrte Fuß schlug gegen meine Rippen. Die zehn Zentimeter langen Klauen kratzten über Knochen, die wie Zahnstocher in mir zerbrachen. Sarah schlug immer wieder zu.
    Wumm, wumm, wumm!
    Es war ein Traum. Ein Erinnerungen erwachsener Traum, aber trotzdem nur ein Traum. Ich wusste es, weil meine Mutter kurz darauf mit meinem elfjährigen Ich die Flucht quer durch das halbe Land antrat und ich zehn Jahre später zurückkehrte und Sarah zwei Kugeln durch die Augen jagte. In Candys linkes Ohr entleerte ich ein komplettes Magazin. Ich erinnerte mich daran, wie ihr Schädel rot erblüht war, als die Kugeln auf der anderen Seite austraten. Ich hatte den gesamten Werhyänen-Clan getötet. Ich hatte die Bouda-Hexen vom Antlitz der Erde getilgt, weil die Welt ohne sie eine bessere war. Michelle war als Einzige entkommen.
    Ich setzte mich auf und sah sie grinsend an. »Ich wache jetzt auf, meine Damen. Ihr könnt mich mal!«
    Ich riss die Augen auf. Ich lag in meinem Schrank, in eine Decke gehüllt, und hielt ein Fleischermesser in der Hand. Die Tür des Schranks war nicht ganz geschlossen, und das graue Licht des frühen Morgens sickerte durch den dünnen Spalt.
    Wunderbar! Andrea Nash, dekorierte Veteranin des Ordens, versteckte sich mit einem Messer und einer Kuscheldecke in ihrem Wandschrank. Ich hätte so lange in dem Traum bleiben sollen, bis ich Hackfleisch aus ihnen gemacht hatte. Wenigstens hätte ich mich dann nicht ganz so erbärmlich gefühlt.
    Ich atmete ein und prüfte die Luft. Ich nahm die normalen Gerüche meiner Wohnung wahr, den synthetischen Apfelduft von der Seife im Badezimmer, die Vanille-Note der Duftkerze neben meinem Bett und am stärksten den Gestank nach Hundefell, eine Hinterlassenschaft aus der Zeit, als Grendel, der Pudel meiner Freundin Kate, mir Gesellschaft geleistet hatte. Diese Laune der Natur hatte am Fußende meines Betts geschlafen und ihren unverwechselbaren Mief auf ewig meinem Teppich eingeprägt.
    Keine Einbrecher.
    Die Gerüche waren gedämpft, was bedeutete, dass die Magie abgeebbt war.
    Wumm-wumm-wumm!
    Was hatte das zu bedeuten?
    Wumm!
    Jemand hämmerte gegen meine Tür.
    Ich warf die Decke ab, kam auf die Beine und verließ den Schrank. Schnell blickte ich mich in meinem Schlafzimmer um: das große Bett, frei von Eindringlingen, die zerwühlte Decke auf dem Teppich, meine Jeans und der BH , die ich am Vorabend neben das Bett geworfen hatte, neben einem Taschenbuch von Lorna Sterling mit einem Piraten in tuntigem Hemd auf dem Cover, das Bücherregal, das bis oben vollgestopft war, blassblaue Vorhänge vor dem vergitterten Fenster – alles unberührt.
    Ich legte das Fleischermesser auf den Nachttisch, zog meine Pyjamahosen hoch, griff nach meiner SIG  Sauer P226, die unter dem Kopfkissen lag, und lief zur Tür. Mit einer Pistole in der Hand aufzuwachen wäre mindestens genauso verrückt gewesen, aber nein, ich war mit einem Messer aufgewacht. Das bedeutete, dass ich offenbar mitten in der Nacht aufgestanden war, um in die Küche zu stürmen, ein Messer aus dem Block zu ziehen, zurück ins Schlafzimmer zu rennen, mir eine Decke zu schnappen und mich im Schrank zu verstecken. Und das alles, ohne dass mir bewusst wurde, wo ich war oder was

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