Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
neue kleidungstechnische
Erscheinungsbild seines Religionslehrers zu unterstreichen, hob er sanft seine Rechte
mit dem straußeneigroßen Siegelring, ließ dankbar den Blick zur grauen Decke gleiten
und bewegte die gleichsam erfreuten Augenlider in sanftem Stakkato.
Bevor das
Gespräch noch einmal in eine Lobhudelei betreffs meiner modischen Neuorientierung
ausartete, erreichte ich kurzfristig, indem ich mich bücklings zum freundlichen
Abschied halbierte, die Kniehöhe meines Rektors und bewegte mich wieder aufgerichtet
zu nicht gerade unrespektablen 1,86 Meter zum Ausgang. Wohlwollend scannte mich
mein Rektor vom schulterlangen zart gegelten, schwarzen Haupthaar bis hin zu den
Spitzen meiner gelackten Halbschuhe. Auch die neue Mitte musterte er noch einmal.
Auf das
ständige Drängen meines schulischen Chefs hin hatte ich mich entschlossen, mein
Lehreroutfit positiv zu verändern. Zumal es mich nichts kostete. Der geerbte Anzug,
den mein Vater mit Stolz sonntags trug, war immer noch gut genug für die Schule.
Und er unterstrich zudem meine ansehnliche Figur positiv. In Schwarz gehalten war
er aus dem unverwüstlichen Material Strapatex und war nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf
von mir – zum Entsetzen Cäcis – wachgeküsst worden. Die dunkle Anklippskrawatte,
ebenfalls stylishes 60er-Jahre-Erbe meines Vaters, vervollständigte mit dem weißen
Hochzeitshemd mein neues, attraktives Lehreroutfit. Auch bei den Schülern kam es
vortrefflich an: Da fehlt nur noch die Sonnenbrille, dann sehen Sie aus wie Men
in Black oder diese alten Blues Brothers!
Tatsächlich
fühlte ich mich in meiner Erbkleidung ein bisschen wie John Adam Belushi aus der
kultigen Musikkomödie Blues Brothers.
»Nicht so
eilig, Bönle, nicht so eilig, passen Sie auf, der neue Boden ist rutschig. Haben
Sie es auch schon gehört? Als Theologe haben Sie ja gute Kontakte zum Kloster, Sie
gehen ja regelmäßig mit Ihren Schülerinnen und Schülern dorthin. Die sind ja sehr
weltoffen, die Frauen. Sind Sie nicht am kommenden Montag auch dort? Haben Sie noch
nichts vom Verbrechen gehört? Sie sind doch sonst so gut informiert.«
»Nein, was
ist passiert?«
»Na, die
Sache mit dem Kopf. Ich war gestern auf d’Nacht mit Kommissar Härmle in der Mondschein-Sauna.
Der musste sich die Leichengeschichte noch wegsaunieren, Sie verstehen schon, hier
im ländlichen Raum erlebt man so eine Geschichte nicht alle Tage. Die Nachricht
ist also brandneu, up to date! Der Vorfall war gestern Abend, darum steht heute
noch gar nicht alles in der Zeitung.«
Stolz, dass
er etwas wusste, was ich nicht wusste, wippte er auf seinen Zehenspitzen, um für
flüchtige Lebensmomente wimpernschlaglang noch mächtiger zu erscheinen.
»Der Kopf,
der gefundene …«
»Hat jemand
den Kopf verloren?«
»Bönle,
Sie sind doch manchmal …«
»Kopflos?«
»Bööönle,
können Sie mir mal zuhören? Und unterbrechen Sie mich nicht fortwährend, das gehört
sich nicht, das ist unhöflich.«
»Wenn Sie
den Nagel auf den Kopf treffen …«
»Bönle,
es reicht, mit so was macht man keine Späße, lassen Sie sich das einfach mal durch
den Kopf gehen. Da kriegt die arme Schwester einen Riesenschreck, als der Kopf vor
ihre Füße rollt, und Sie machen da pietätlose Scherze. Und das als Religionslehrer!«
Langsam
verstand ich den in Rätsel Sprechenden.
»Herr Oberstudiendirektor,
Sie wollen doch nicht andeuten, dass Ihre arme Schwester einen menschlichen Kopf
gefunden hat?«
»Bööönle,
doch nicht meine Schwester, außerdem ist die nicht arm! Nein, Schwester Immaculata-Flora,
Sie wissen, die junge, die sportliche, schlanke Schwester vom Kloster Sießen, beim
Abendspaziergang. Unten an der Sießener Säge, in einer Mülltüte, einen menschlichen
Kopf und eine Hand. Beides abgehackt, beides gehäutet. Die Schwester hat den Täter
wohl überrascht, als er die Körperteile im Wald verstecken oder entsorgen wollte.
Die arme Frau hat sogar noch gehört, wie ein Auto davongerast ist. Wer weiß, was
der armen Ordensfrau passiert wäre, wenn sie den Kerl beim Entsorgen der Leichenteile
überrascht hätte, gar nicht auszudenken … eine Ordensfrau, eine Dienerin Gottes?
Aber, pssst … eigentlich geht Sie das ja nichts an, ich weiß sowieso nicht, warum
ich das ausgerechnet Ihnen erzähle! Na, nun gehen Sie, Ihre Frau wird schon auf
Sie warten. Und denken Sie auch noch mal an die arme Ordensfrau, eine Braut Christi
… und der rollt ein enthaupteter Kopf entgegen!«
Ich
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