Nr. 13: Thriller (German Edition)
die Studenten Toni ebenso wenig Glauben schenkten, weil er italienischer Abstammung war? Oder sahen sie aufgrund seiner weißen Hautfarbe darüber hinweg, bemerkten es vielleicht nicht einmal? Seine Kiefer schmerzten, so stark knirschte Abuu mit den Zähnen.
Heute hatte er einfach nicht die Nerven für Probleme. Bisher war der Tag eine Katastrophe gewesen. Gleich nach dem Aufstehen war er mit nacktem Fuß in eine Heftzwecke getreten. Daraufhin hatte er sich mit seiner Frau gestritten, die am Vortag ein selbst gemaltes Bild ihres Enkels aufgehängt hatte, aber Stein auf Bein behauptete, ihr wäre nichts heruntergefallen. Weil es wehtat, wenn Abuu auftrat, war er ungelenk gegangen und dabei auf dem Gehsteig umgeknickt, sodass sein Knöchel nun auch noch schmerzte. Zu allem Übel war sein Pass auch noch abgelaufen, was der Polizist feststellte, den der Nachbar gerufen hatte, weil Abuu sich, als er zu fallen drohte, auf der Motorhaube dessen Autos abgestützt und eine Delle verursacht hatte. Und jetzt musste er sich auch noch mit solchen Idioten herumplagen. Dieser Tag konnte kein gutes Ende nehmen!
Aufgebracht stapfte er voraus und verließ das Praetorium. Obwohl Eiseskälte ihn empfing, schloss er seinen Mantel nicht, denn sein Blut kochte.
Toni kam ihm schon auf dem Theo-Burauen-Platz entgegen. Die gesamte Gruppe redete aufgeregt durcheinander. Die Mienen der Studenten waren finster. Es wurden Köpfe geschüttelt und Nasen gerümpft.
Antonio, einen Kopf kleiner als Abuu, dafür doppelt so füllig, schnaubte, als er Abuu den Schlüssel überreichte. „Mach dich auf etwas gefasst. Eine Schweinerei!“
„Wovon sprichst du?“
„Das wird Konsequenzen haben. Christoph muss die Polizei rufen. Sofort!“ Immer wieder strich sich Toni über seine Glatze. Schweiß glänzte darauf. Kleine Atemwölkchen kamen stoßartig aus seinem Mund. „Ich sage ihm Bescheid.“
Bevor Abuu fragen konnte, was passiert war, eilte Toni schon weiter. Die Studenten folgten ihm tuschelnd.
Plötzlich kam Leben in Abuus eigene Gruppe. Eben noch waren sie ihm widerwillig hinterhergetrottet, nun liefen sie sogar zum Zelt auf dem Vorplatz des Rathauses voraus. Strahlende Gesichter wie die ihren sah man in diesem düsteren Januar selten. Die Weihnachtsbeleuchtung war längst abgehängt. Zurück blieb die Trostlosigkeit des Winters. Die Wolken hingen tief über den Häusern, die eine Spur schmutziger aussahen als im Sommer. Es lag Schnee in der Luft. Der Himmel wurde immer dunkler, je weiter der Nachmittag voranschritt, und wirkte unheilvoll. Die Geräusche der Großstadt klangen merkwürdig gedämpft, was etwas Bedrohliches hatte, als würde eine große Glocke über Köln gestülpt, sodass niemand dem Schneesturm entfliehen konnte. Abuu konnte sich an keinen Blizzard in Nordrhein-Westfalen erinnern. Aber schon ein paar Flocken konnten die Region ins Chaos stürzen.
Was erwartete ihn wohl im jüdischen Ritualbad? Von außen nahm er keine Auffälligkeiten wahr. Die Ausgrabungen daneben würden wohl noch viele, viele Jahre andauern. Die oberen Mauersteine der freigelegten Häuser schlossen mit den Straßen, die sie umgaben, ab. Noch war die Baustelle in ständiger Bewegung. Holzbrücken und Treppen ermöglichten den Archäologen und Studenten, weitere Teile der antiken Bauten, der ältesten Synagoge nördlich der Alpen und der Ratskapelle aus dem 15. Jahrhundert, freizulegen. Planen bedeckten große Teile des Areals, um es vor Umwelteinflüssen zu schützen. Abuu reizte es immer wieder aufs Neue, auch mal einen Schritt hinab in die Vergangenheit zu machen, aber zum einen war das selbstverständlich verboten, zum anderen hatte er zu viel Respekt vor diesem Kulturgut und wollte nichts zerstören.
Seine Gruppe hastete weiter, ohne der Ausgrabung oder dem Zelt, in dem kleinere Fundstücke von Sand, Lehm und anderen Sedimenten befreit wurden, Beachtung zu schenken.
Er arbeitete sich zurück an den Kopf der Truppe, weil er befürchtete, sie könnte das Tor vor dem Treppenabgang zum Tauchbad, das im achten Jahrhundert erbaut worden war, einfach niederrennen. Er schloss es auf und stieg die Treppe hinab, um die Tür am Ende zu öffnen. Ungeduldig wartete er, bis alle eingetreten waren, und riegelte hinter ihnen wieder ab.
Das Papierschild, das mit einfachem Klebeband außen an der Wand befestigt worden war, würde er später wieder ankleben. Jemand hatte es mit seinem Jackenaufsatz abgerissen. Der Hinweis ermahnte die Stadtführer, darauf
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