Nur die Küsse zählen
gewesen ist.“
„Nein, das war es nicht.“ Er seufzte. „Unsere Eltern sind vor gut acht Jahren gestorben. Danach gab es nur noch Sasha, Finn und mich. Sonst niemanden. Wir standen uns vorher schon nah, aber sie zu verlieren hat alles verändert. Das war wirklich schwer.“
Aurelia hatte das Gefühl, das Wort schwer wurde dem, was er durchgemacht hatte, nicht annähernd gerecht. „Es hat euch auch zusammengeschweißt“, sagte sie und dachte, dass der Verlust ihres Vaters sie und ihre Mutter nicht zusammengeschweißt hatte.
„Finn hat einfach nicht losgelassen. Er führt ein zu strenges Regiment. Irgendwann hat Sasha in der Zeitung von dem Vorsprechen gelesen. Er ist derjenige, der ins Fernsehen will. Mir ist egal, wo ich bin, solange es nicht South Salmon ist.“ Er schaute ihr in die Augen. „Ich habe den Eindruck, wir können einander helfen. Ich halte dir deine Mom vom Leib, und du beschützt mich vor Finn.“
„Ich bin nicht sicher, ob du Schutz brauchst.“
„Jeder muss hin und wieder mal beschützt werden.“
Es war etwas an der Art, wie er das sagte. Er zeigte damit eine Verletzlichkeit, die ihn nur noch anziehender machte. Vielleicht war Stephen gar nicht so Furcht einflößend, wie sie anfangs gedacht hatte. Aber Furcht einflößend hin oder her, sie ging ein großes Risiko ein. Es konnte so viel schiefgehen.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas Schlimmes passiert“, versprach er leise.
Seine Worte überraschten sie. Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen. Das hatte noch niemand getan, vielleicht weil sich noch niemand die Zeit genommen hatte, sie kennenzulernen.
„Das kannst du doch gar nicht wissen.“ Sie wollte ihm so gern glauben, traute sich jedoch nicht.
„Sicher kann ich das. Warum versuchen wir nicht einfach, füreinander da zu sein?“
Ein verlockendes Angebot, dachte sie.
Nachdenklich schaute sie in seine Augen, suchte nach der Wahrheit. Dann erkannte sie, dass die Antwort nicht in Stephen zu finden war. Sie lag in ihr selbst. Entweder sie sammelte ihrenMut zusammen, um den nächsten logischen Schritt zu tun, oder sie wäre für immer gefangen.
„Tun wir’s einfach“, erklärte sie und gab sich selbst das Versprechen, nichts zu bereuen.
Dakota starrte das rohe Hühnchen an, das in der Pfanne lag, und überlegte, ob sie es jetzt in den Ofen schieben oder warten sollte, bis Finn da war. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihn zum Abendessen einzuladen? In Wahrheit hatte er sich selbst eingeladen, aber trotzdem. Bei diesem Abendessen handelte es sich eindeutig um ein Date, was eigentlich gut war. Inzwischen war sie nur leider vollkommen durcheinander. Schlimmer, ihr zitterten schon den ganzen Tag die Oberschenkel.
Bevor sie bezüglich des Hühnchens eine Entscheidung treffen konnte, klingelte es an der Tür. Dakota lief in den Flur, rannte dann schnell wieder in die Küche zurück, öffnete die Ofenklappe und schob das Hähnchen hinein. Das Essen würde in vierzig Minuten fertig sein. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, um die Zeit bis dahin zu überbrücken.
Nachdem sie tief durchgeatmet und die Schultern gestrafft hatte, öffnete sie die Haustür.
„Hallo“, sagte sie.
Es war gut, dass sie zuerst gesprochen und ihn nicht erst richtig angesehen hatte. Als sie nämlich einen Blick auf den großen, durchtrainierten Körper, das hübsche Gesicht und das nicht karierte Baumwollhemd warf, fühlte sie sich ein kleines bisschen desorientiert.
„Selber hallo“, antwortete Finn lächelnd und reichte ihr eine Flasche Rotwein. „Ich hoffe, das ist in Ordnung.“ Er zeigte auf den Wein. „Ich habe ihn in einem Laden in der Stadt gekauft. Der Verkäufer hat ihn mir empfohlen. Ich bin kein Weinkenner. Aber ich würde gerne mehr darüber lernen. Sie wissen bestimmt alles über Wein, mit den ganzen Weinbergen hier in der Umgebung und so.“
Während seine Worte um sie herumwirbelten, registrierte sie, dass er zu schnell redete. Konnte es sein, dass Finn auchnervös war? Der Gedanke ließ Dakota dem Abend wesentlich entspannter entgegensehen.
„Ich weiß gar nichts über Wein“, erwiderte sie und hielt die Flasche hoch. „Außer dass er mir normalerweise schmeckt. Kommen Sie herein!“
Er folgte ihr in die Küche. Sie musste nur in zwei Schubladen nachsehen, bis sie den Korkenzieher fand. Fürsorglich nahm Finn ihr die Flasche ab und entfernte den Korken mit geübten Handgriffen. Schnell nahm Dakota zwei Gläser aus dem Schrank, sodass Finn einschenken
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