Nur die Küsse zählen
Verhütungsmittel.
„Nein, kein Problem.“
„Du nimmst die Pille?“
Es wäre am einfachsten, Ja zu sagen. Das war die Antwort, die jeder erwartete. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie Finn nicht anlügen.
„Das muss ich nicht“, erklärte sie ihm. „Ich kann keine Kinder bekommen. Ist was Medizinisches. Wenn alle Planeten in der richtigen Konstellation stehen und Aliens auf der Erde landen, könnte es zwar theoretisch passieren, aber in dem Gespräch mit meiner Ärztin ist die Formulierung ‚eins zu einer Million‘ öfter gefallen, als mir lieb ist.“
Sie musste Finn zugutehalten, dass er weder zurückzuckte noch sonderlich erleichtert wirkte. Stattdessen spiegelte sich Mitgefühl in seinen Augen. „Das tut mir leid.“
„Mir auch. Ich habe mir immer Kinder gewünscht. Eine normale Familie. Tief im Herzen habe ich immer geplant, einmal Mutter zu sein.“
Da ist sie, dachte sie, die Traurigkeit. Als sie erfahren hatte, was mit ihr nicht stimmte, hatte sie geglaubt, in dieser Traurigkeit zu ertrinken. Das Gefühl hatte sie überwältigt, ihr sämtliches Leben aus der Seele gesaugt. Trotz des Studiums, des Wissens, der Vorlesungen und Bücher hatte sie nie wirklich verstanden, was eine Depression war. Sie hatte nicht begriffen, was es bedeutete, wenn ein Mensch jegliche Hoffnung verlor.
Jetzt wusste sie es. Es hatte Tage gegeben, an denen sie sichkaum hatte rühren können. Sie war kein Mensch, der sich das Leben nehmen oder sich Schmerzen zufügen konnte. Aber sich selbst aus der tiefen Apathie zu ziehen, das war das Schwerste, das sie je getan hatte.
„Es gibt mehr als nur einen Weg, das zu bekommen, was man sich wünscht“, sagte er. „Aber das ist dir sicher bewusst.“
„Ja, das sage ich mir auch andauernd. Und an guten Tagen glaube ich mir sogar.“ Sie schaute ihn an. „Du hingegen bist nicht auf der Suche nach einer Familie.“
„Ist das geraten oder deine professionelle Einschätzung?“
„Beides. Irre ich mich?“
„Nein. Hab ich alles schon zur Genüge gehabt.“
Das ergibt Sinn, dachte sie. Finn war gezwungen gewesen, in einem Alter, in dem es eigentlich noch um Spiel und Spaß gehen sollte, unerwartet viel Verantwortung zu übernehmen. Warum sollte er also den Wunsch verspüren, mit einer neuen Familie noch einmal von vorne anzufangen?
Das solltest du im Hinterkopf behalten, riet sie sich. Sie mochte Finn. Gemeinsam hatten sie viel Spaß. Allerdings hatten sie auch unterschiedliche Erwartungen ans Leben. Wenn sie weiterhin Zeit mit ihm verbrachte, musste sie das im Hinterkopf behalten. Das Letzte, was sie im Moment gebrauchen konnte, war ein gebrochenes Herz.
„Habe ich dir jetzt Angst gemacht?“, fragte sie.
„Nein. War das deine Intention?“
Sie lachte. „Nein. Ich will nur nicht, dass zwischen uns irgendetwas unklar ist.“
„Ist es nicht.“
„Gut.“ Sie trat ein wenig näher und schaute zu ihm auf. „Denn die Nacht mit dir hat mir gut gefallen.“
Er hob eine Augenbraue. „Mir auch. Wollen wir das irgendwann mal wiederholen?“
Sex mit einem Mann, der definitiv nicht in der Stadt bleiben würde? Nur Spaß, ohne Verpflichtungen? So etwas hatte sie noch nie gemacht. Vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern.
Sie lächelte. „Von mir aus gerne.“
6. KAPITEL
D akota konnte sich nicht erinnern, wann ihr das letzte Mal so kalt gewesen war. Obwohl der Kalender behauptete, es wäre mitten im Frühling, war eine Kaltfront heraufgezogen, und die Temperaturen waren um mindestens zehn Grad gefallen. In den Bergen lagen sogar dreißig Zentimeter Neuschnee.
Sie zog den Mantel fester um sich und wünschte, sie hätte daran gedacht, Handschuhe mitzubringen. Unglücklicherweise hatte sie die meisten Wintersachen schon weggepackt und musste sich mit dem Zwiebel-Look behelfen. Die dicke Wolkendecke ist auch nicht sonderlich hilfreich, dachte sie mit Blick an den blassgrauen Himmel.
Als sie jemanden nach ihr rufen hörte, drehte sie sich um. Montana winkte ihr zu, während sie die Straße hinuntereilte. Ihre dicke Daunenjacke sah unglaublich warm und gemütlich aus. Außerdem trug ihre Schwester eine bunte Strickmütze mit passenden Handschuhen.
„Du siehst aus, als würdest du frieren“, sagte Montana. „Warum hast du nichts Wärmeres angezogen?“
„Weil das alles schon weggeräumt ist.“
Montana grinste. „Manchmal zahlt es sich aus, Dinge aufzuschieben.“
„Offensichtlich.“
„In ein paar Tagen soll es wieder wärmer
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