Sex oder Schokolade
PROLOG
„Was für eine Hochzeit!" Sabrina Bliss blickte zu ihrer Schwester. „Als der Geistliche sagte: ,... bis dass der Tod euch scheidet', hätte ich mich fast nicht mehr beherrschen können."
„Deshalb habe ich dich auch gekniffen." Marjorie lächelte. „Es ist taktlos, während einer Trauung laut zu lachen."
Bei dieser besonderen Hochzeit hatte Sabrina ihre Zweifel. „Immerhin bin ich nicht aufgestanden und habe gesagt, dass ich etwas dagegen habe."
Verwundert blinzelte Marjorie. „Hast du denn etwas dagegen?"
„Nein ... eigentlich nicht."
„Aber du glaubst nicht, dass es mit den beiden klappt?"
Sabrina umklammerte die kleine Samtbox in ihrer Hand. „Ich glaube einfach nicht an Märchen."
Sabrina und Marjorie standen auf dem Balkon des Hotels, in dem der Empfang stattfand.
Unten im Rosengarten tanzten ihre frisch verheirateten Eltern Charlie und Nicole Bliss unter dem sternklaren Nachthimmel. Die großen Glastüren des Ballsaals standen offen, und so drangen Musik und Lichter auch in den Garten hinaus.
Blöde Romantik, dachte Sabrina, obwohl der Anblick sie rührte. Zum Glück hatte sie viel Erfahrung darin, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
Marjorie dagegen konnte sich nicht verstellen. Im Moment blickte sie hoffnungsvoll auf ihre Eltern, und ihre großen dunklen Augen schimmerten.
Erst vor wenigen Monaten hatten Charlie und Nicole Bliss ihren Töchtern gestanden, dass sie sich immer noch liebten, obwohl sie schon so lange geschieden waren. Sie hatten beschlossen, es noch einmal miteinander zu versuchen. Sabrina und Marjorie waren geschockt gewesen.
Außer zu Weihnachten und Geburtstagen hatten sie ihre Eltern seit Jahren nicht mehr
zusammen erlebt. Marjorie fand das Ganze romantisch und wundervoll, aber Sabrina konnte die grauenvolle Scheidung vor sechzehn Jahren nicht vergessen. Damals war sie gerade dreizehn gewesen. Sie wollte nicht, dass der Krieg jetzt wieder anfing:
„Vielleicht ist es auch kein Märchen, sondern die Wirklichkeit", stellte Marjorie leise fest.
„Ha." Sabrina trank einen Schluck Champagner. „Wenn das die Wirklichkeit ist, dann gebe ich den beiden ein halbes Jahr."
Erschrocken packte Marjorie ihre Schwester am Arm, und Sabrina wünschte sich, sie hätte das nicht gesagt. Marjorie war für sie eher Freundin als Schwester. Sie waren viel zu lange voneinander getrennt gewesen. Marjorie lebte in New York, während Sabrina von einer Stadt zur anderen zog.
„Sei nicht so zynisch, Sabrina."
Sie zuckte mit den Schultern. Die beiden Schwestern waren vollkommen gegensätzlich, aber nach der Scheidung hatten sie sich gegenseitig geholfen und waren seitdem ein Herz und eine Seele, selbst wenn sie tausend Meilen voneinander getrennt lebten.
„Laut Statistik scheitert jede zweite Ehe", erklärte Marjorie. „Dann haben Mom und Dad ihre Scheidung doch schon hinter sich. Diese Ehe kann eigentlich gar nicht scheitern."
Sabrina stieß die Luft aus. „Da weißt du aber nicht viel von Statistik. Ich gehe mit dir jede Wette ein. Doppelter Einsatz." Mit Wahrscheinlichkeitsrechnung kannte sie sich aus. Sie hatte in Reno in einem Casino als Kellnerin gearbeitet, nachdem ein Zauberer sie als Assistentin gefeuert hatte, weil sie beim Trick mit der zersägten Jungfrau vor Entsetzen laut aufgeschrien hatte. „Eigentlich dachte ich immer, du seist die Logischere von uns beiden."
„Hier geht es nicht um Logik, sondern um Vertrauen."
„Vertrauen? Wieso?".
Wieder blickte Marjorie auf ihre Eltern. „Sieh sie dir doch an. Geht dir dieser Anblick nicht auch zu Herzen?"
Stirnrunzelnd betrachtete sie ihre Eltern, die sich küssten und miteinander flüsterten. Sie wirkten so unterschiedlich wie ihre Töchter. Charlie Bliss war groß und blond, ein Tagträumer, der immer neue große Pläne schmiedete. Nicole war klein, rundlich und so solide wie Marjorie, aber nicht so sanftmütig. Wenn sie es darauf anlegte, konnte sie sich mit ihrem festen Willen bei jedem durchsetzen.
Sabrina wünschte den beiden wirklich das Beste, doch ihr Vertrauen hatte sie vor Jahren verloren, als sie nach der Scheidung mit einem Rucksack von einem Elternhaus ins nächste gezogen war.
Wahrscheinlich sind sie schon nach den Flitterwochen vollkommen zerstritten, dachte Sabrina, weil Charlie Paragliding machen wollte und Nicole lieber Schnorcheln ging. Jede Kleinigkeit war für die beiden ein Grund zum Streit.
„Andererseits wirken sie wirklich verliebt", räumte sie Sabrina ein.
Ein
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