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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Meisterwerken wie ›Rote Ernte‹, ›Der gläserne Schlüssel‹, ›Der Fluch desHauses Dain‹, ›Der Malteser Falke‹ oder ›Erpresser schießen nicht‹.
    Irgendwann kam mir meine Mutter dann jedoch auf die Schliche und gestand dem Pfarrer im Beichtstuhl, ihr Sohn würde in seiner Schlafkammer Teufelszeug verstecken, Romane und derart jugendgefährdende Schriften, worauf Don Pedro Sarria ihr auftrug, alle auf der Stelle zu verbrennen. Gerade noch rechtzeitig fiel mir da ein, dass mein Onkel vor Kurzem erst einen kleinen Laden in Algorta erworben hatte, der noch leer stand. »Bücher also«, brummte er, als ich ihm mein Anliegen vortrug. »Wozu willst du das ganze Altpapier aufheben? Versuch es zu verkaufen.«
    Es war unmittelbar nach dem Krieg, ich brachte noch keinen Real nach Hause, und wir besaßen noch nicht einmal ein Stückchen Acker, auf dem wir Kartoffeln, Bohnen oder Salat hätten anpflanzen können. Ich leerte gerade die erste Truhe, als Koldobike, die ich nur vom Sehen kannte, plötzlich vor mir stand. Während ich mich noch fragte, was die schlaksige junge Frau mit den karottenroten Locken in meinem Laden wollte, packte sie bereits beherzt mit an. In Ermangelung eines Regals reihten wir die Bücher auf dem Boden entlang der Wände auf. Drei der Truhen hackte ich danach mit der Axt zu Brennholz, die vierte bestimmte Koldobike als Verkaufstresen, denn inzwischen steckten die ersten Schaulustigen ihre Köpfe zu uns herein, angezogen von den Geräuschen gewaltsamer Zerstörung, die uns seit dem Krieg bestens vertraut waren.
    Die Leute fanden anscheinend großen Gefallen daran, sich zu den alten Büchern hinunterzubücken und über deren Rücken zu streichen, und manchmal richteten sie sich mit einem Buch in der Hand auf und sahen uns fragend an. »Das kostet eine Pesete«, erklärte Koldobike dem Ersten mit einer Bestimmtheit, als hätte sie das schon ein Leben lang gemacht,worauf er ihr wortlos einen Geldschein überreichte und mit dem Buch zufrieden von dannen zog. Sprachlos sah ich das Treiben an diesem ersten Tag mit an. Nach welchen Kriterien legte Koldobike die Preise der Bücher fest? Nach der Dicke? Am Abend hatten wir jedenfalls neun Peseten in der Kasse, auch wenn gut die Hälfte davon Papiergeld war, das die baskische Regierung während des Krieges ausgegeben hatte und das nur noch nostalgischen Wert besaß, dessen Besitz sogar gefährlich sein konnte, das wir aber dennoch anstandslos akzeptierten, aus purem Trotz. Hinterher half Koldobike mir noch, den eisernen Rollladen runterzulassen, und verblüffte mich einmal mehr mit einem rätselhaften »Bis morgen«.
    Beim Abendessen schob ich meiner Mutter die neun Peseten hin. Zwar wagte ich nicht, ihr zu beichten, dass das der Erlös aus dem Verkauf der Bücher war; sie schien es aber zu ahnen, denn bevor sie die Scheine zählte, bekreuzigte sie sich. Und danach glänzten ihre Augen vor Freude, denn von den vier neuen Peseten konnte sie Essen für mehrere Tage kaufen.
    Am nächsten Tag erwarteten mich vor meinem Laden dann fünf Falangisten in blauen Uniformhemden und mit schwarzen Koppeln sowie zwei Angestellte vom Bürgermeisteramt.
    »Was für Propaganda wird hier verteilt?!«, herrschten sie mich an.
    »Das ist Literatur, keine Propaganda«, hörte ich sofort jemanden hinter mir sagen.
    Ungefragt nahm Koldobike mir den Schlüssel fürs Vorhängeschloss aus der Hand und schob gemeinsam mit mir den Rollladen hoch. Die fünf Falangisten stöberten eine Weile herum, fanden aber natürlich nichts, weshalb sie frustriert die sieben Säcke mit den zu Brennholz zerkleinertenTruhen ausleerten und schließlich mit der Drohung »Sieh dich vor!« verschwanden.
    Danach sahen die vom Bürgermeisteramt, die das Ganze tatenlos mit angesehen hatten, ihre Stunde gekommen: »Haben Sie einen Gewerbeschein?«
    Und wieder sprang Koldobike mir ungefragt bei: »Sieht das hier etwa aus wie ein Gewerbe?«
    Worauf die beiden nur verschnupft entgegnen konnten: »Für jeden Rollladen, der hochgezogen wird, braucht man eine Genehmigung. Und Sie haben noch jede Menge Bücher übrig, die Sie verkaufen könnten!«, und dann erhobenen Hauptes hinausrauschten.
    Nachdem alle weg waren, machte ich mich stumm daran, die ausgekippten Holzscheite zurück in die Säcke zu stopfen.
    »Keine Sorge, sie werden uns den Schein schon geben. Ja, wenn’s Blutwurst oder Speckschwarten wären …, aber solche Schwarten wird sonst keiner verkaufen«, hörte ich Koldobike hinter mir, als ich

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