Nur eine turbulente Affaere
Hatte er es etwa vergessen? Nein, das war unmöglich. Er vergaß nie etwas, und bestimmt nicht so etwas Wichtiges wie den Besuch seiner Mutter.
Kaum hatte der Chauffeur angehalten, öffnete Theo die Beifahrertür, sprang aus dem Wagen und eilte ins Haus. Als er in seine Wohnung stürzte, kam ihm Heather in Jeans und einem viel zu weiten T-Shirt entgegen.
„Sie schläft tief und fest“, sagte sie und hielt ihn am Arm fest, weil er geradewegs zu seiner Mutter ins Zimmer laufen wollte. Sie begegnete seinem betroffenen Blick und lockerte den Griff. „Ich mache Ihnen einen Kaffee. Wir müssen etwas besprechen.“ Sekundenlang glaubte sie, er hätte sie gar nicht gehört. Doch dann fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, nickte und setzte sich hin.
Er beobachtete, wie geschickt Heather mit der Espressomaschine umging, die er immer noch nicht bedienen konnte. Schließlich reichte sie ihm die Tasse und setzte sich ihm gegenüber an den Küchentisch aus Chrom und Glas.
„Gibt es ein Problem?“, fragte er. „Meine Mutter kommt nie unangemeldet zu Besuch. Deshalb muss ich annehmen, dass etwas passiert ist. Was genau hat sie gesagt?“
„Sie wollen wissen, weshalb Sie gekommen ist?“
„Ja. Hat sie es erwähnt?“
Langsam schüttelte Heather den Kopf und überlegte, wie sie Theo beibringen sollte, dass seine Mutter aus ihrer Anwesenheit in seiner Wohnung falsche Schlüsse gezogen hatte. Schon am Telefon hatte sie es ihm erklären wollen, aber wahrscheinlich hatte sie wieder zu viel auf einmal geredet, sodass er es nicht begriffen hatte.
„Ist sie eigentlich gesund, Theo? Sie wirkt so zerbrechlich.“
Seine Augen schienen ganz dunkel zu werden. „Wie soll ich das verstehen?“
„Sie macht den Eindruck, als wäre sie krank oder geschwächt …“
„Glauben Sie wirklich, das könnten Sie innerhalb so kurzer Zeit beurteilen? Wie lange haben Sie mit ihr gesprochen? Eine halbe Stunde? Vielleicht studieren Sie gar nicht Kunst, sondern Medizin und wollen Ärztin werden.“ Er lachte betont spöttisch, doch Heather spürte, wie beunruhigt er war, und blickte ihn mitfühlend an.
Unvermittelt sprang er auf. Dann stützte er sich mit beiden Händen auf den Tisch und sah Heather kühl und hart an. „Sparen Sie sich Ihr Mitgefühl. Darauf kann ich gerne verzichten.“
„Okay.“ Sie biss sich auf die Lippe und bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten.
Das war unnötig, so grob hätte ich sie nicht behandeln dürfen, überlegte er, während er ihren gesenkten Kopf betrachtete. Ihm war klar, dass er sich entschuldigen musste, doch er brachte die Worte nicht über die Lippen. War ihr denn nicht bewusst, dass ihre Bemerkung die unerklärlichen Ängste, die ihn quälten, nur noch verstärkte? Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
Heather zuckte zusammen. „Es tut mir leid“, wisperte sie.
„Was tut Ihnen leid?“, fragte er gereizt. „Dass Sie Ihre Meinung geäußert haben, obwohl niemand Sie darum gebeten hat?“
„Nein. Es tut mir leid, dass Sie so besorgt sind.“ Mutig hielt sie seinem Blick stand und war erleichtert, als er sich schließlich wieder hinsetzte. Noch nie zuvor hatte sie ihn so aufgewühlt erlebt. Sie hatte sogar geglaubt, er kenne gar keine Angst. Wenn er sich aber abreagieren musste, sollte er es tun.
Sie seufzte und versuchte, ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. „Da ist noch etwas“, wechselte sie das Thema. „Ich habe versucht, es Ihnen am Telefon zu erklären, doch ich bin sicher, dass Sie es nicht verstanden haben. Sie wissen ja, manchmal rede ich zu viel und zu lange um etwas herum …“
Das ist eine Untertreibung, dachte er. Gegen seinen Willen musste er jedoch lächeln und spürte, dass seine Anspannung nachließ. „Ja, das ist mir aufgefallen.“
„Als Ihre Mutter eintraf, stand ich gerade unter der Dusche. Mir ist klar, Sie finden es seltsam, dass ich nachmittags dusche. Ich bin aber mit den ganzen Lebensmitteln zu Fuß die Treppen hinaufgelaufen, und … Ach, egal. Jedenfalls stand ich unter der Dusche und habe dann Ihre Mutter im Bademantel begrüßt.“
„Kann ich damit rechnen, dass Sie dieses Jahr noch zum Kern der Sache kommen?“
„Vergessen Sie den Bademantel, er ist nicht wichtig. Ich weiß, dass Sie jetzt wütend sind, es war jedoch nicht meine Schuld. Der Punkt ist, Ihre Mutter hat nicht erwartet, mich zu sehen.“
„Warum hat sie denn Hal, den Pförtner, nicht gebeten, sie hereinzulassen, wenn sie geglaubt hat, es sei niemand in meiner
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