Nur einen Kuss, Kate!
Gouvernante bemüht?”
“Meine Bildung reicht für die Position einer Gouvernante nicht aus.”
Wieder schnaubte die alte Dame. “Die meisten Gouvernanten dürfen sich nicht gebildet nennen. Es genügt ein bisschen Französisch oder Italienisch, feine Handarbeiten, ein gewisses Geschick im Aquarellieren und die Fähigkeit, auf dem Piano oder der Harfe eine Melodie zu klimpern. Und jetzt sage nur nicht, dass du das nicht könntest. Immerhin war dein Vater ein gelehrter Mann!”
Ja, aber ich war nur ein Mädchen und in seinen Augen der Bildung nicht wert.
Kate musste sich so sehr beherrschen, um unter diesem Kreuzverhör nicht ihre Fassung zu verlieren, dass sie zu fragen vergaß, woher die alte Frau Kenntnis von der Gelehrsamkeit ihres Vaters hatte.
“Von meinen Brüdern habe ich etwas Griechisch und Latein gelernt, weiter sind mir die Grundbegriffe der Mathematik vertraut.” Plötzlich fiel Kate ein, dass Mrs. Midgely womöglich für ihre Enkel eine Erzieherin suchte. Eilig bekannte Kate sich zur Wahrheit, da Lügen kurze Beine hatten.
“Ich kann mir nicht denken, dass Sie jemandem wie mir eine Stelle als Erzieherin bieten. Ich kann nicht malen und spiele kein Instrument …” Nein, die ungeliebte Tochter des Vikars war ungezügelt aufgewachsen und hatte damenhafte Manieren nie gelernt. “Aber ich spreche ein wenig Französisch, Spanisch und Portugiesisch.”
“Warum hast du dich dann nicht als Gesellschafterin beworben?”
Kate hatte es versucht und auf unzählige Annoncen geantwortet. Doch sie hatte keine Bürgen und keine Referenzen. Jemand aus Lissabon hatte an eine ihrer Nachbarinnen geschrieben, und plötzlich war sie
persona non grata
für Menschen, die sie ihr Leben lang gekannt hatten. Dass das Mädchen, das sie in Erinnerung hatten, ein Wildfang gewesen war, tat das Seinige dazu. Viele hatten seinerzeit prophezeit, mit der Tochter des Vikars werde es ein böses Ende nehmen. Und sie hatten recht behalten.
“Ich kenne niemanden, der eine Gesellschafterin oder Gouvernante ohne Empfehlung einstellen würde.”
“Aber sicher hatte dein Vater Freunde, die dich empfehlen könnten?”
“Schon möglich, Madam. Aber mein Vater und ich lebten die letzten drei Jahre im Ausland, und ich wüsste nicht, wie ich mit seinen Bekannten Verbindung aufnehmen könnte, da alle seine Papiere verloren gingen, als er starb.”
“Im Ausland!”, rief die alte Dame entsetzt aus. “Obwohl dieser Bonaparte noch nicht bezwungen ist! Wie konnte dein Vater dieses Risiko eingehen?”
In Kates Augen blitzte es auf. Dieser alte Drachen! Sie ließ die Frage unbeantwortet und griff wieder das eigentliche Thema auf. “Also, habe ich die Stelle, Madam?”
“Als meine Zofe? Nein, sicher nicht. Einfach lächerlich.”
Kate war ratlos.
“Ich brauche keine Zofe”, fuhr die alte Dame fort. “Deswegen bin ich nicht gekommen.”
“Dann sind Sie gar nicht Mrs. Midgely?” Kates feine Züge röteten sich, aus ihren Augen blitzte Empörung.
“Nein, ganz gewiss nicht”, äußerte die alte Dame von oben herab.
“Darf ich dann fragen, wer Sie sind und mit welchem Recht Sie hier eindringen und mich auf diese höchst ungewöhnliche Weise ins Gebet nehmen?” Kate machte aus ihrem Zorn kein Hehl.
Lady Cahill lächelte. “Mit dem Recht einer Patentante, meine Liebe.”
Kate erwiderte das Lächeln nicht. “Meine Patentante starb, als ich noch klein war.”
“Ich bin Lady Cahill, und deine Mutter war mein Patenkind.” Sie fasste dem Mädchen unters Kinn. “Du siehst ihr bemerkenswert ähnlich. Auch bei ihr waren die Augen das Schönste. Aber bei dir wollen mir die dunklen Schatten nicht gefallen. Außerdem bist du zu dünn.”
Lady Cahill gab Kates Kinn frei und blickte um sich. “Nun, wirst du mir Platz anbieten oder nicht?”
Die alte Dame hatte ihre Mutter gekannt? Das konnte Kate von sich nicht behaupten.
“Verzeihen Sie, Lady Cahill, ich bin zu überrascht. Bitte, nehmen Sie Platz.” Kate deutete auf ein durchgesessenes Sofa. “Leider kann ich Ihnen keine Erfrischung anbieten.”
“Keine Sorge, deswegen bin ich nicht gekommen”, lautete die Antwort. “Ich vertrage auf Reisen kein Essen.”
“Warum sind Sie gekommen, Madam?”, fragte Kate. “Sie hatten lange Zeit keinen Kontakt zu meiner Familie. Sicher ist es kein Zufall, dass Sie ausgerechnet jetzt kommen.”
Kluge blaue Augen sahen sie abschätzend an. “Hm, du kommst gleich zur Sache, wie? Aber ich bin selbst gern geradeheraus und sage dir
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