Nur für eine Stunde?
Spaziergang mit Lucy sehen und auch noch, wenn sie geduscht und sich die Zähne geputzt und ihren Pyjama angezogen hätte. Sie würde seine Grübchen noch sehen, wenn sie unter die Steppdecke gekuschelt in ihrem Bett lag.
Klar, dass die Extrastunde für Blake kein Mehr an Schlaf bedeutete. Er hatte garantiert interessantere Dinge zu tun, als im Bett zu liegen und von den Grübchen einer Person zu träumen, die nicht bei ihm war.
“Wissen Sie, dass die Sommerzeit offiziell erst um zwei Uhr morgens endet?”, fragte er. “Merkwürdig, nicht? Wieso um zwei und nicht um Mitternacht? Ich möchte wissen, wer das entschieden hat.”
“Man soll die Uhren umstellen, bevor man ins Bett geht”, erklärte Martha nüchtern.
Er sah sie mit einem Ausdruck an, als würde er die Sache erst jetzt begreifen. “Ach so ist das! Ich wollte bis zwei aufbleiben und dann meine Uhren umstellen. Hab gedacht, es wäre Schummelei, wenn man es schon täte, bevor der große Moment da ist. Mogeln mag ich nämlich nicht.”
Sein Sarkasmus machte ihr bewusst, wie idiotisch ihre Belehrung gewesen war. “Sorry”, murmelte sie und blickte verlegen zu Lucy, die es offenbar höchst bequem fand, auf seinem Schuh zu sitzen.
“Hey, nehmen Sie’s nicht so ernst. War nur ein kleiner Spaß.” Er lachte. Es war ein warmes, volles Lachen, und sie spürte kaum noch den kühlen Windzug, der durch die Fliegenfenster hereinwehte. “Trotzdem werd ich irgendwann mal an diesem Tag bis zwei aufbleiben”, fuhr Blake fort. “Ich möchte wissen, was mit dieser Stunde passiert. Wir verlieren sie jeden Frühling und bekommen sie jeden Herbst zurück. Wo, glauben Sie, bleibt die Stunde zwischen Frühling und Herbst ab? Was passiert mit dieser Stunde?”
Martha musterte ihn irritiert. Zog er sie nur auf, oder verstand er das Prinzip der Zeitumstellung tatsächlich nicht? Oder war er vielleicht ein tiefgründiger Philosoph? Sinnsuchende Reflexionen hätte sie bei einem ehemaligen Barkeeper nicht vermutet, der sich mehr für die Geschmacksnuancen von Fruchtsäften zu interessieren schien als für die Bedeutung von Zeit.
Offensichtlich erwartete er eine Antwort von ihr. “Diese Stunde geht nirgendwo hin”, sagte sie. “Es ist … es ist wie mit der Buchhaltung. Man zieht sie von einer Zahlenkolonne ab und addiert sie zu einer anderen dazu. Und am Ende einer Buchungsperiode trägt man sie wieder um.”
Sein Lächeln wurde breiter, fast übermütig. Saphirblaue Fünkchen tanzten in seinen Augen, und Marthas Herz klopfte schneller. “Ich glaube, diese Stunde schwebt da draußen im Universum herum und wartet nur darauf, dass wir sie wieder einfangen. Es ist unsere Zeit, verstehen Sie? Die Stunde wurde uns im Frühling gestohlen, und nun bekommen wir sie zurück. Und da es eine Extrastunde ist, können wir damit tun, was wir möchten. Ein Bonus sozusagen.” Einen Moment lang hielt er ihren Blick fest, dann zuckte er mit den Schultern und zog vorsichtig den Fuß unter Lucy fort. “Oder vielleicht ein Geschenk, das uns bis zum nächsten Frühling gehört, bis wir es wieder zurückgeben müssen. Was meinen Sie, Martha? Wäre es nicht ein Jammer, solch ein Geschenk zu vergeuden?”
“Vergeuden?” Seine Philosophiererei steuerte in eine Richtung, der sie nicht mehr folgen konnte. “Es ist eine Stunde mitten in der Nacht. Da schläft man normalerweise.”
“Eine geschenkte Stunde”, beharrte er. “Ich jedenfalls werde das Beste draus machen, und ich finde, dass Sie das auch tun sollten.” Damit wandte er sich um und sprang die Stufen hinunter. Durch das Fliegengitter der Tür sah Martha ihn in der Dunkelheit verschwinden.
Martha Cooper besaß einen Hund!
Blake verstand nicht, warum ihn diese Tatsache so schockte. Denn es hatte ihn nie interessiert, ob Martha Cooper Haustiere hatte. Oder ein Fahrrad. Oder ein Haus. Oder ein Leben …
Martha war Martha. Sie war im vergangenen Juli in seinem Büro erschienen – die Lösung seiner Probleme. Ihm war gleichgültig gewesen, wer sie war oder woher sie kam oder was ihr Sternzeichen war – oder ob sie einen Hund hatte. Wichtig war ihm einzig und allein ihr Beruf gewesen. Sie würde das Zahlenchaos in seinen Büchern entwirren, sie kannte die Geheimnisse von Computern, sie konnte bis zwanzig zählen, ohne die Zehen zu Hilfe zu nehmen. Und sie war willens, für ihn zu arbeiten.
Er war verzweifelt gewesen. Die Firma war gewachsen, wie er es sich nie vorgestellt hatte – noch dazu in einem schwindelerregenden
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