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Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Titel: Nur wenn du mich hältst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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weg war und er sie vielleicht nie wiedersah. Das war das Schlimmste. Bereits jetzt verschwand Stück für Stück von ihr aus seinem Gedächtnis, und er musste sich anstrengen, um sich ihr Gesicht vorzustellen. Manchmal versuchte er vor sich zu sehen, wie sie sich eine Locke hinters Ohr schob oder wie ihre Augen blitzten, wenn sie ihn anlächelte. Er lauschte tief in seinem Inneren nach ihrer Stimme, die seinen Namen rief. Der Drang, bei ihr zu sein, war so stark wie der Drang zu atmen. Seine Brust fühlte sich ständig eng an, und sein Magen war ein einziger Klumpen.
    Er beschloss, ein wenig Zeit totzuschlagen, indem er seine Hausaufgaben machte. Er hatte Spanisch auf, was für ihn überhaupt kein Problem war, und Englischvokabeln, etwas, das ihm leider nicht so leichtfiel. Die Lehrerin hatte die Aktion „Wort des Tages“ ins Leben gerufen und glaubte, man lernte ein neues Wort am besten, wenn man seine Wurzeln studierte und es anwendete. Das heutige Wort war „flegelhaft“. Die Wurzel des Wortes war Flegel. Laut Schulbuch bedeutete flegelhaft grob und ungehobelt, sich unangemessen verhalten, mürrisch sein. Das Wort Flegel ging auf das lateinische flagrum zurück, das Geißel oder Peitsche hieß. Seine übertragene Bedeutung „Rüpel“ oder „Rabauke“ war zunächst wegen ihres Arbeitsgeräts für Bauern verwendet worden. AJ war sich nicht ganz sicher, was ungehobelt bedeutete, also schaute er das auch noch nach: schlechtes Benehmen, grob und verächtlich im Umgang oder im Aussehen …
    Er klopfte mit dem Stift auf die Tischkante und versuchte, sich einen sinnvollen Satz mit dem Wort einfallen zu lassen. Der flegelhafte Junge war es leid, auf einen freien Computer zu warten . Er stand auf und ging rastlos auf und ab. Von den anderen Kindern ignoriert zu werden, weckte in ihm flegelhafte Gefühle .
    In letzter Zeit hatte er viele große Wörter gelernt, etwa Abschiebung, Haft, Vertreibung.
    „Wartest du auf diesen Computer?“, fragte Chelsea Nash und nahm ihr Headset ab. „Du kreist hier wie ein Bussard. Das nervt mich. Aber richtig.“
    Man konnte ihr nicht vorwerfen, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er zeigte auf das Schild, das eine maximale Computernutzung pro Person von dreißig Minuten auswies.
    „Wie du meinst.“ Sie packte ihren Rucksack. „Ich habe heute den Bus verpasst, also musste ich meinen Großvater anrufen, damit er mich abholt. Ich schätze, er hat es vergessen.“
    AJ zuckte mit den Schultern. „Ruf ihn noch mal an.“
    „Meine Großeltern erlauben mir kein Handy“, sagte sie. „Sie wollen nicht mal einen Internetanschluss zu Hause haben. Das nervt mich.“
    AJ gab ihr sein Handy. „Ich leih dir meins.“ Seit dem New-York-Vorfall zwang Bo ihn, sein Handy überall mit hinzunehmen.
    „Danke.“ Sie tätigte den Anruf, und wie vermutet hatte ihr Großvater sie vergessen. Sie atmete hörbar aus und gab ihm das Handy zurück. „Jetzt wird es mindestens eine Stunde dauern, bis er hier ist, weil er wirklich sehr langsam fährt. Vor allem bei diesem Wetter. Wir hatten letzte Nacht fünfzehn Zentimeter Neuschnee auf der Seestraße.“
    AJ fiel auf, dass Chelsea sehr viel sprach. Sie tat so, als würden sie einander schon ewig kennen. Er setzte sich auf den Stuhl vor dem Computer.
    „Ich bin übrigens Chelsea“, sagte sie.
    „Ich weiß. Ich meine, ich habe dich in der Tierklinik gesehen.“
    „Oh, du kennst Dr. Shepherd?“
    „Mrs Bellamy-Shepherd hilft meinem Dad mit ein paar rechtlichen Dingen.“
    „Wer ist dein Dad?“
    Super. Sie war also eine von den Neugierigen.
    „Er heißt Bo Crutcher.“ Es fühlte sich immer normaler an, Bo seinen Dad zu nennen. Außerdem war das die einfachste Erklärung, deshalb ließ er es dabei.
    „Oh! Ich liebe Bo Crutcher!“ Sie strahlte übers ganze Gesicht und sah auf propere Art beinahe hübsch aus. „Ich meine, er ist ein echt toller Kerl. Er hilft immer beim Spendensammeln und so, weil er halb berühmt ist.“
    Nur in einer Stadt wie dieser hier konnte jemand wie Bo als halb berühmt bezeichnet werden. Wenn er es natürlich wirklich zu den Yankees schaffen würde, wäre er offiziell berühmt. „Was meinst du mit helfen?“
    „Letztes Jahr haben wir Spenden für die Wildtierauffangstation gesammelt, und er hat für die Auktion privaten Baseballunterricht gespendet. Die Leute haben wie verrückt geboten. Und als seine Band vor ein paar Tagen den Bandwettstreit gewonnen hat, ging der Erlös an eine Organisation, die sich um jugendliche

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