Nyx - House of Night: Das Begleitbuch (German Edition)
Oder wie es Homer in der
Odyssee
beschreibt: „wo … ruhiges Leben die Menschen immer beseligt / (Dort ist kein Schnee, kein Wintersturm, kein strömender Regen, / Sondern es wehet ewig des Wests hellsäuselnder Atem, / Welchen Okeanos schickt, der Menschen Herzen zu laben)“ 81 Ein Teil des Elysiums, die Elysischen Felder, war das Reich der Tugendhaften, während die Helden auf den Inseln der Seligen ihre jenseitige Heimat fanden. Wie es im Epos Werke und Tage von Hesiod heißt,
bewohnen [diese] daselbst, das Gemüt von Sorgen entlastet Nah des Okeanos Wirbeln, den tiefen, der Seligen Inseln, Glücklich Heroengeschlecht; es beschenkt sie mit Früchten wie Honig Dreimal reifend im Jahr das nahrungsspendende Erdreich. 82
Das Elysium ist also das Paradies und entspricht etwa dem, was sich heutige Christen und Muslime unter dem Himmelreich vorstellen.
Stellen wir dem einmal gegenüber, was wir von der Anderwelt der Nyx erfahren: Nachdem Zoey in
Gezeichnet
in der Grotte der Göttin begegnet ist, betreten wir die Anderwelt erst wieder am Ende von
Versucht
. Zoey wird Zeugin von Kalonas Mord an Heath und unternimmt einen Gegenangriff, bei dem ihre Seele zersplittert. Sie fällt in ein Koma und ihr Geist erwacht in der Anderwelt. Wie das Elysium ist auch das Jenseits der Nyx – nach allem, was wir bis zum Ende des siebten Bandes davon erfahren – ein Ort der Ruhe und von überwältigender Schönheit – ein wahrer Garten Eden. Bei ihrem Besuch auf der anderen Seite ist Zoey zwar lebendig, ganz wie die griechischen Helden der Antike, doch ihre Reise dorthin verläuft vollkommen anders. Vor allem unternimmt sie diese Reise nicht freiwillig. Doch der wichtigste Unterschied liegt darin, dass allein Zoeys Geist die Anderwelt besucht, nicht aber ihr Körper. In allen Mythen des antiken Griechenland betreten die Helden auf ihren Reisen dagegen die Unterwelt als Sterbliche aus Fleisch und Blut. Sie riskieren dabei ihr Leben, denn bei einer Reise in die Unterwelt läuft man Gefahr, auf ewig dort zu bleiben.
Wie wir im folgenden Band
Verbrannt
erfahren, riskiert auch Zoey ihr Leben, wenn ihr Geist zu lange von ihrem Körper getrennt ist. Und noch schlimmer: Falls sie es nicht schafft, die Einzelteile ihrer Seele wieder zusammenzufügen, wird sie zu einer Caoinic Shi’, also einer Person, die weder lebendig noch tot und auf ewig zur Unrast verdammt ist. (Der Begriff „Caoinic Shi’ “, stammt nicht aus der griechischen Mythologie, sondern geht, laut P. C. Cast auf gälische Wörter zurück, die etwa „feenähnlich“ oder „geisterhaft“ bedeuten.)
Als Zoey in der Anderwelt wieder zu sich kommt, weiß sie nicht, wo sie ist, und das macht ihr auch zunächst nichts aus. Sie hat Frieden gefunden, ja sie verspürt sogar Euphorie und erinnert sich nicht an das, was geschehen ist. Sie spaziert über eine wunderschöne Wiese und durch ein kleines Wäldchen aus Weißdornsträuchern und Ebereschen. Um das Elysium zu erreichen, mussten die Seelen den Fluss Lethe überqueren, der auch „Strom des Vergessens“ genannt wurde. Sie mussten von seinem Wasser trinken und vergaßen so ihr irdisches Leben. Zoey muss zwar nichts trinken, doch ganz wie die Seelen der Griechen erinnert sie sich nicht, wer sie ist und wie sie dorthin kam. Zunächst scheint es gut zu sein, dass sie in die Anderwelt gelangt ist – sie ist glücklich und in Sicherheit vor Neferet und Kalona. Doch da sie nicht tot ist, kann ihr Geist nicht für immer Frieden finden. Als sie Heath entdeckt, wird ihr klar, dass sie sich in der Anderwelt befindet. Er ist dort, weil er tot ist, woran sie sich die Schuld gibt. Ihre Euphorie ist verschwunden. Sie erinnert sich und auch ihre Trauer kehrt zurück. Mit ihrer wiedergewonnenen Erinnerung erscheinen auch die geisterhaften Gestalten, die die Bruchstücke ihrer Seele verkörpern. Als sie sich in ihnen erkennt, wird Heath – und auch uns Lesern – langsam klar, dass Zoey ein echtes Problem hat.
Währenddessen versucht James Stark, die Grenze zwischen unserer Welt und der Anderwelt zu überschreiten, um Zoey zu retten. Als Starks Blut in die schmalen Erdspalten tropft und der Anderwelt so ein Zeichen gibt, dass ein Sterblicher um Einlass bittet, spiegelt sich in dieser Szene der Mythos der Grotte von Tainaron, in der Odysseus das Blut der beiden Opfertiere in die Unterwelt sickern lässt. Als Starks Geist seinen Körper verlässt, trifft er sogleich auf sein erstes Hindernis: den schwarzen Stier. Selbstverständlich
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