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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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rausgeschickt. Sowas wie
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von Karl Valentin, nur länger. Die deutsche Abwehr hat wie verrückt an der Entschlüsselung gearbeitet. Sie konnte dadurch die wirklich relevanten Nachrichten nicht mehr bearbeiten.«
    Oliver Krapf saugte an einem Pfefferminzblatt. Er hatte Tina noch gar nichts von dem gestrigen Überfall erzählt.
    »
Du
hast die Münze also in den Sack gesteckt?«
    »Nein, sie war nie in dem Sack. Die Münze war von Anfang an in meiner Hand!«
    »Hätte ich dir nicht zugetraut. Aber ich könnte mich ohrfeigen. Ich habe das Naheliegende übersehen.«
    »Du hast nach einer Bedeutung gesucht, dadurch warst du im Blickfeld eingeschränkt. Du wolltest nicht glauben, dass es nichts bedeutet.«
    »Aber dadurch habe ich ein Abenteuer erlebt – das muss ich dir erzählen!«
    Er freute sich schon auf ihren Gesichtsausdruck, wenn er von seiner Totmannschaltung und der Knochenfräse des durchgeknallten Zahnarztes erzählte.
     
    Tina drehte die Münze um neunzig Grad.
    »Es geht noch weiter. Quergelegt siehst du das koreanische Zeichen für Nichts, das Zeichen der absoluten Leere, das Lachen des Narren ohne Folgen für den Weitergang des Laufes der Welt.«
    »Jetzt wird es mir aber langsam zu bunt –«
    »Und wenn man es nochmals um neunzig Grad dreht, dann könnte man das Ganze als A und M lesen.«
    »Jetzt mach mal nen Punkt. Ein A und ein M! Das hier sieht doch nie und nimmer wie ein A und ein M aus.«
    Krapf nahm einen Stift zur Hand und zeichnete auf ein Blatt so etwas wie –

    »Sieht eher aus wie ein Gebirge«, sagte Krapf. »Wo hast du die Münze überhaupt her?«
    »Das war mal ein Knopf von einer Jacke, die mir meine Tante gestrickt hat. Der Knopf ist abgegangen, weil die hinten draufgelötete Öse abgebrochen ist –«
    »Die Tante ist doch nicht etwa aus Bayern, oder?«
    »Doch, ja, wie kommst du darauf? Sie wohnt in irgendeinem Kaff ganz im Süden Deutschlands.«
    Krapf war wieder voll auf Klondike. Die glimmende Glut war noch nicht ganz erloschen. Er hatte wieder Witterung aufgenommen.
     
    Hubertus Jennerwein stand allein auf der Nachdenk-Terrasse hinter dem Polizeirevier. Das richtige Geschafft!-Gefühl hatte sich noch nicht eingestellt, zu viele Fragen waren noch offen. Die uralten Skelette, das Tagebuch. Und dann der iPod. Ohne den kleinen Akinetopsie-Anfall in der Höhle wäre ihm die neongrüne Plastikhülle vermutlich gar nicht aufgefallen. Aber dann war das Bild stehen geblieben, und er hatte den Fremdkörper am Boden bemerkt. Er hatte sich gebückt, ihn aufgehoben und eingesteckt. Nun zog er ihn heraus und hielt ihn in die Sonne. Er schaltete ihn an und ließ die zuletzt gespielte Datei laufen. Wütendes Geschrei. Slawische Wortfetzen. Drei aggressive Männerstimmen. Das Wort
sanschtsch
tauchte immer wieder auf. Und der Name
Arri
. Dann brach die Aufzeichnung plötzlich mit einem hässlichen Knirschen ab. Jennerwein hatte das Gefühl, dass diese Aufzeichnung dem BKA bei den folgenden Ermittlungen sehr weiterhelfen würde. Er brachte den iPod zum Spurensicherer Hansjochen Becker.
     
    In der geräumigen Wohnstube des Hartl-Hofes dufteten verführerisch aussehende Schmalznudeln, die aus der Schüssel bis fast zur Decke wuchsen. Der Hartl Peter saß am Tisch, und seine Frau, die Hartl Bäuerin, kam herein.
    »Du wirst es nicht glauben, Hartl«, sagte sie, »aber draußen auf unserem Balkon, da jodelt einer.«
    »Hast du schon wieder zu viel Schnaps erwischt, Bäuerin?«
    »Nein, wirklich! Von wegen Schnaps. Er hat eine Gams auf dem Buckel. Es ist der Wilderer.«
    »Setz dich her und iss.«
    Der Hartl Peter hatte seiner Frau wieder einmal Unrecht getan. In der Tat stand droben auf dem Balkon Florian Beerschnauz alias Schnäuzelchen, und aus seinem Rucksack lugte das Bein einer Gemse. Der letzte Akt des Wilderer-Dramas hatte begonnen. Nachdem der urwüchsige und leicht schräge Jodler verklungen war, stellte sich der Mann mit dem geschwärzten Gesicht in Positur, und sofort wurde er fotografiert. Schon einige Dutzend Kurgäste hatten sich unten auf dem geräumigen Dorfplatz gesammelt, und es wurden immer mehr.
    »Bayrische Landsleute! Und ihr, die ihr die bayrische Lebensart liebt!«, begann er, und die folgende Rede war zutiefst von patriotischen Gefühlen durchglüht. Von Urwurzeln sprach er, von der Urheimat, von alten Sitten und Bräuchen, von Bergen, Seen und der tief empfundenen Furcht von den Naturgewalten.
    »Zu hause redet er nie so viel«, murmelte Nicole.
    Schnäuzelchen

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