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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Vortritt lassen. Endlich standen sie im Laden und unterhielten sich über das Richard-Strauss-Konzert. Sie waren ziemlich konträrer Meinung bezüglich der allzu dominanten Lautstärke des Bläserensembles.
    Harmlos.
    Zwei Klosterschwestern suchten ein Geburtstagsgeschenk für eine gewisse Notburga. Sie fanden das Eichhörnchen aus Porzellan scheußlich.
    Harmlos? Harmlos.
    Ein Postbote kam mit einem Päckchen herein. Er rief nach Frau Neuner, er wartete eine Weile, dann legte er das Päckchen hinter den Ladentisch. Jennerwein öffnete es vorsichtig. Es enthielt nur Haarpflegemittel und Kosmetika.
    Harmlos.
    Ein weiterer harmloser Herr im lockeren Wanderlook blieb vor dem Schaufenster stehen und betrachtete lange und intensiv die Auslage. Er sah intellektuell aus, er trug den Feuilletonteil einer großen überregionalen Zeitung lässig unter dem Arm. Nachdem er den Laden betreten hatte, sah er sich flüchtig um, dann las er das Schild auf der Ladentheke. Er seufzte nachsichtig und setzte sich auf ein Stühlchen an der Seite. Er blätterte in seiner Zeitung, legte sie wieder beiseite. Dann seufzte er nochmals, stand auf und kam wieder zur Theke. Dort lagen Prospekte, kleine Wanderkarten, Rätselhefte, Hotelflyer, KulturSommer-Programme. Er warf einen flüchtigen Blick darauf, blätterte einiges durch, drehte manches hin und her, sah auf die Uhr. Dann verließ er den Laden wieder. Er hatte etwas Seriöses und Vertrauenserweckendes. Nicole und der Kommissar nickten sich zu.
    »Das ist er!«, rief Jennerwein ins Funkgerät, als er den Laden verlassen hatte. »Der Mann in dem olivfarbenen Parka, der vor dem Laden steht. Verfolgen Sie ihn unauffällig. Und riskieren Sie nichts!«
     
    Der olivfarbene Herr spazierte mit Johann Ostler und Maria Schmalfuß im Schlepptau durch den Kurort. Er sollte sie zu Wanda führen, aber er zeigte ihnen zuerst einmal die Sehenswürdigkeiten des Kurorts. Er besah sich Wandmalereien in der Ortsmitte, uralte Bauernhöfe mit riesigen Misthaufen, die Spielpläne der Bauerntheater, das beste Obstgeschäft, die zweitbeste Bäckerei, die schlechteste Metzgerei. Er schlenderte provozierend langsam durch den Kurpark, er setzte sich in eine Wirtschaft, er verzehrte dort zwei Weißwürste – alles offenbar gut gelaunt, als wäre er ein Tourist am ersten Urlaubstag, der alle Zeit der Welt hatte.
    »Der Mann ist entweder ein Superprofi«, sagte Maria, »oder wir verfolgen den Falschen.«
    »Sie verfolgen den Richtigen, ich bin mir sicher«, sagte Jennerwein durch das Funkgerät. »Bleiben Sie an ihm dran.«
     
    Er studierte das Rätselheft, in dem der Olivfarbene geblättert hatte.
    »Hier drin steht, wohin Wanda gegangen ist. Sehen Sie das Buchstaben-Sudoku? Das muss es sein. Sudoku hat zwar mehr Felder, aber es funktioniert trotzdem.«
    »Und was kommt raus?«, fragte Nicole ungeduldig. »Wir haben doch den Schlüssel!«
    »Nein, habe ich schon probiert. Das ist nicht der richtige. Haben Sie hier im Laden irgendwo ein Schachspiel gesehen?«
    »Moment mal – der Typ war doch lange vor dem Schaufenster gestanden!«
    Beide liefen hinaus. Zwei Minuten später hatten sie die Adresse geknackt: NEUB ERGS TRAS SE 48 .
     
    Fast eine Stunde hatte er sie nun schon im Ort herumgeführt, der olivfarbene Seriöse, als Ostler unvermittelt stehen blieb.
    »Was ist los? Kommen Sie, wir verlieren ihn sonst.«
    »Mensch, bin ich ein Idiot!«, rief Ostler, ein wenig zu laut für eine Verfolgung. »Ich weiß jetzt, wer Wanda ist. Und vor allem: wo sie ist. Kommen Sie, Maria, wir müssen in die entgegengesetzte Richtung!«
    In diesem Moment meldete sich das Funkgerät.
    »Hallo, Maria!«, sagte Jennerwein. »Brechen Sie die Verfolgung ab und gehen Sie beide schnellstens in die Bergstraße Nr.  48 . Wir sind ebenfalls schon unterwegs.«
    »Ostler hat diese Adresse ebenfalls genannt!«
    »Wie bitte? Wie kommt er denn da drauf? Egal, wir sind unterwegs.«
     
    Maria und Ostler legten einen Zahn zu.
    »Ich Depp!«, sagte Ostler. »Wie ich mit der Frau Neuner geratscht habe, da hat sie gesagt, dass es furchtbar schwer war, Aushilfen zu bekommen. Aber dann, vor ein paar Monaten, hätte sie Glück gehabt, da hätte sich eine gemeldet, die wäre auch zuverlässig gewesen – und es wäre sogar eine Einheimische, die sich ein bisschen Geld dazuverdienen wollte. Wir sind da.«
    Es war ein kleines Haus mit einem kleinen Garten. Ostler klingelte an der Gartentür. Eine sportliche Frau kam heraus und ging auf ihn zu.
    »Servus,

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