Oberwasser
Ostler, was machst denn du da? Ach so, ich weiß schon, ihr seids immer noch hinter dem Wilderer her –«
»Willst du uns nicht reinlassen?«
»Ganz schlecht. Ich habe gerade Hausputz.«
»Komm, Martina, lass uns rein, die Leute brauchen ja nicht alles mitzubekommen. Schau, da bleiben schon welche stehen.«
Martina Seiff wollte offensichtlich Zeit gewinnen.
»Hast du überhaupt einen Durchsuchungsbefehl?«
»Schau, Martina, hinter mir, so zwanzig, dreißig Meter, da stehen zwei weitere von uns. Die zielen auf dich, die haben dich im Visier. Und es sind gute Schützen. Gib auf, Martina. Es hat keinen Wert mehr.«
»Also, diese Wanda habe ich mir anders vorgestellt«, sagte Maria Schmalfuß zu Ostler, als Martina Seiff im Polizeiauto saß.
»Wie denn?«
»Irgendwie brutaler. Krimineller. Russischer vielleicht.«
»Da sehen Sie, Frau Doktor, was hier im Werdenfelser Land manchmal für Gewächse blühen.«
»Aber gleich solche Kaliber! Internationaler Waffenhandel!«
»Gerade hinter den Geranien lauert das Grauen.«
70 .
Fred Weißenborn war wieder bei Bewusstsein, man sah ihm jedoch den BKA ’ler mit Einzelkämpferausbildung momentan nicht an. Er war schwach und blass, eine Kanüle steckte in seinem Hals, er war tracheotomiert worden, deshalb konnte er nicht sprechen. Aber nicken konnte er. Und lächeln konnte er auch schon ein wenig. Dr. Rosenberger saß am Krankenbett und erzählt ihm gerade, wie das Team um Jennerwein den Fall zu Ende gebracht hatte.
Als der Hauptkommissar und seine Mitstreiter eintraten, nickte er ihnen stumm und dankbar zu.
»Er hat mir bestätigt, was Sie vermutet haben«, sagte Dr. Rosenberger zu Jennerwein in gedämpftem Ton, der der Atmosphäre einer Intensivstation angemessen war.
»Die BKA -Beamten haben im Kurort relativ unabhängig voneinander operiert. Treffen mit dem Einsatzleiter haben nur alle paar Tage stattgefunden. An dem fraglichen Tag hat Dombrowski deswegen lediglich Weißenborn darüber informiert, dass er einige Zeit außerhalb des Kurorts zu tun hätte. Wie wir jetzt wissen, hat er da eine größere Geldübergabe organisiert. Weißenborn gegenüber behauptete er, er hätte eine heiße Spur außerhalb des Kurortes. Weißenborn hat ihn jedoch mitten im Ort gesehen, als er den Andenkenladen Neuner durch den Hintereingang verlassen hat. Weißenborn kam das Ganze komisch vor, er hängte sich deshalb an Dombrowskis Fersen, bis sie am Ortsrand gelandet waren. Dort hat ihn Weißenborn angesprochen, was denn eigentlich hier los sei und was es mit dem Andenkenladen auf sich hätte. Dombrowski reagierte ausgesprochen gereizt, hat aber dann schließlich etwas von einem sensationellen Fund in der Höllentalklamm erzählt, den er sich unbedingt selbst ansehen müsste. Den Rest der Geschichte kennen sie.«
Jennerwein nickte.
»Demnach ist also das Schachdiagramm, das wir bei Weißenborn in der Jackentasche gefunden haben und das auf die Höllentalklamm hinweist, nicht von Dombrowski verfertigt worden, um Weißenborn in die Höhle zu locken. Es war umgekehrt: Fred Weißenborn hat es geschrieben, um den BKA -Kollegen seinen Aufenthaltsort mitzuteilen. Anscheinend konnte er die Nachricht nicht mehr an vereinbarter Stelle deponieren.«
»Vielleicht war die Nachricht an mich gerichtet«, sagte Dr. Rosenberger nachdenklich. »Wir wollten uns an dem Tag zum Mittagessen treffen.«
Der Oberrat blickte zu seinem Freund. Der war inzwischen eingeschlafen. Dr. Rosenberger nahm ihm den Block aus der Hand und betrachtete die Notiz, die er zuletzt geschrieben hatte: SKELETTE IN DER HÖHLE .
»Vermutlich Fieberphantasien. Aber ich würde sagen, darum kümmern wir uns später.«
Jennerwein wollte etwas sagen, schwieg jedoch. Nur Maria Schmalfuß hatte das bemerkt.
»Die Höhlen gibt es nicht mehr«, sagte Becker. »Sie sind gesprengt worden. Da kommen wir nicht mehr rein. Aber so wie es jetzt aussieht, ist das ja nicht mehr nötig.«
Jennerwein überlegte, ob er von den Skeletten im Innereren der Höhle erzählen sollte, vielleicht auch von dem Tagebuch, das er aus dem Tornister sichergestellt hatte. Er hielt es jedoch für besser, vorerst darüber zu schweigen. Er musste über die vielen verstörenden Dinge, die er da gelesen hatte, erst nachdenken. Er musste sie verarbeiten. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, mit Maria darüber zu reden.
Dr. Rosenberger räusperte sich mehrmals und blickte einen nach dem anderen ernst an.
»Sie haben Großes geleistet.
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