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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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gefaltet sind. Ich weiß nicht, wie oft ich der ganzen Familie eine Sondervorführung im Handtuchfalten gegeben habe, jedenfalls nicht oft genug, denn alle falten weiter stur quadratisch, und vor dem Einräumen falte ich um. Warum kriege ich das nicht rein in ihre Köpfe? Man stelle sich mal vor, wie viel Zeit ich damit schon verschwendet habe! Tage! Wochen!
    Oder die Ehekrise unserer Freunde. Schon länger hatte ich den Eindruck, dass es einer Partnerschaft nicht gut tun kann, wenn einer ständig durch die Welt jettet und der andere nur zu Hause sitzt und wartet. Aber so was äußert man natürlich nicht ungefragt. Jetzt ist die Krise da, und ich frage mich, ob ich vielleicht doch schon früher was hätte sagen sollen. Nur: Hätte ich es getan, wären die zwei vermutlich nicht mehr unsere Freunde.
    Manchmal weiß man ja schon bei der Hochzeit, dass eine Ehe scheitern wird, aber wehe, man würde es aussprechen. Die Leute sind ja so undankbar. Wollen die Wahrheit nicht hören. Die aufwändige Feier, die teure Hochzeitsreise, die enttäuschten Verwandten – all das, denkt man so bei sich, müsste doch nicht sein. Aber bitte, die Leute wollen eben in ihr Unglück rennen. Kann man auch nichts machen.
    Menschen, die versuchen, immer alles richtig zu machen, haben es schwer. Noch schwerer haben es die, die versuchen, andere dazu zu bringen, alles richtig zu machen. Sie gelten als rechthaberisch und übergriffig, dabei wollen sie doch nur das Beste für ihre Mitmenschen. Aber diese undankbaren Geschöpfe wollen einfach nicht erklärt bekommen, wie man Weingummitüten öffnet und Ehekrisen verhindert. Sie wollen es selbst herausfinden.
    Wie Kinder. Die müssen auch einmal selbst auf die Herdplatte fassen und sich die Finger verbrennen. Erst danach nutzen all die Warnungen, die von den Eltern ausgestoßen werden. Dabei würde man seinen Kindern den Schmerz so gerne ersparen! Ist doch klar, dass Sohnemann seine Schularbeit verhaut, wenn er das Buch unters Kopfkissen legt, statt mal reinzuschauen. Oder, dass Töchterlein sich bei minus 10 Grad mit einem bauchfreien Top eine satte Erkältung holt. Aber wehe, man sagt was. Schon heißt es, man hätte einen Kontrollzwang.
    Wenn man es also schon bei Kindern nicht schafft, durch Ermahnungen schlechte Erfahrungen zu verhindern, wieso sollte es bei Erwachsenen funktionieren? Dabei hätte man doch so viele wertvolle Tipps und Ratschläge zu vergeben!
    Bräuchte man aber selbst mal einen guten Rat, dann ist keiner da, der einem auch nur zuhört.
    Sonst wäre ich vor ein paar Jahren sicher nicht auf den tollen Aktienspezialisten reingefallen, der meine Ersparnisse ins Unermessliche steigern wollte und dabei leider den Großteil vernichtet hat. So stehe ich nun ohne Ersparnisse da, aber mit der Erkenntnis, dass vermutlich mein eigener, gesunder Menschenverstand gereicht hätte, das Desaster zu verhindern. Wenn ich ihn nur benutzt hätte.

Der Mütter-Minderwertigkeits-Komplex
    Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe manchmal das Gefühl, als Mutter eine völlige Fehlbesetzung zu sein. Schon in der Schwangerschaft fehlte mir die hormonell bedingte Euphorie; ich freute mich zwar auf mein Kind, aber nie bekam ich diesen seligentrückten Gesichtsausdruck hin, den ich oft bei anderen Schwangeren beobachte. Die Geburt wünschte ich mir nicht – auf meine großartigen Fähigkeiten als Gebärende vertrauend – sanft und alternativ, sondern umgeben von möglichst viel High-Tech-Geräten und Ärzten. Den Schlafentzug der ersten Monate mit dem Baby empfand ich als mittelschwere Folter, und die Vorstellung, in den folgenden drei Jahren rund 5000 Windeln zu wechseln war durchaus geeignet, mich in eine Depression zu stürzen.
    Nicht selten wünschte ich mir mein früheres Leben zurück; Ausschlafen, Ausgehen und Sex statt Stillen, Wickeln und Kinderwagenschieben. Ich hatte das Gefühl, in eine gemeine Falle getappt zu sein, besonders, weil mir kein Mensch vorher gesagt hatte, was auf mich zukommt. Aber das Schlimmste: All das durfte ich nicht laut aussprechen. Es scheint eine geheime Übereinkunft zu geben, dass man als junge Mutter immerzu glücklich zu sein hat und keinesfalls jammern und klagen darf. Niemand will hören, dass man vor Erschöpfung heulen könnte, dass man unter den Kilos leidet, die einfach nicht verschwinden wollen, und darunter, sich nicht mehr als Frau zu fühlen, sondern als milchtropfendes Muttchen, durch das die Männer hindurchsehen, als wäre es nicht

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