Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
damit ein paarmal Luft ins Gesicht, obwohl das digitale Thermometer an der Wand hinter ihm angenehme 21° Celsius Raumtemperatur anzeigte.
»Die Anweisung kommt also vom Leiter des Sozialamtes in Augsburg?«
Avkin-von Buchhaecker nickte mit einem überheblichen Grinsen.
»Kommt es öfter in Ihren sozialen Sicherungssystemen vor, dass ein Behördenleiter eine solche Anweisung gibt?«
»Ich denke nicht.«
»Und wieso dann in diesem Fall?«
»Was fragen Sie mich das?«
»Haben Sie nicht so etwas wie die Fachaufsicht über das Augsburger Sozialamt?«
»Zur Fachaufsicht über eine Behörde gehört mit Sicherheit keine Einzelfallentscheidung.«
»Aber zu den Aufgaben des Behördenleiters vom Sozialamt schon?« Davídsson war bewusst, dass der Bereichsleiter die Frage bereits beantwortet hatte, aber er wusste auch, dass es den eingebildeten Schnösel jede Sekunde mehr nervte, die er mit ihm sprechen musste. Vermutlich wäre er jetzt lieber auf irgendeinem Golfplatz mit zwei Blondinen im Arm, die er vor seinen schmierigen Golfpartnern als Häschen bezeichnen würde, dachte der Kriminalanalyst.
Der Mann stöhnte hörbar, bevor er antwortete. »Natürlich nicht.«
»Gibt das Gesetz so eine Anweisung überhaupt her?«
»Das Sozialgesetzbuch regelt das ganze Verfahren.«
»Ja oder nein?«
»Macht es eigentlich Sinn, sich irgendwo über Sie zu beschweren, oder haben das Ihre Vorgesetzten mittlerweile schon satt?« Avkin-von Buchhaecker klappte die schmale Akte zu und warf sie demonstrativ vor Davídsson auf die Schreibtischkante. Viel hatte nicht gefehlt, und die Papiere wären auf dem Boden gelandet.
»Ich kann mir auch einen Termin beim Regierungspräsidenten geben lassen, wenn Sie keine Zeit für polizeiliche Ermittlungsarbeit übrig haben«, sagte Davídsson und überlegte, wie er das hinbekommen sollte.
Das Grinsen verschwand aus dem massigen Gesicht, das den Kriminalanalysten irgendwie an eine Birne erinnerte.
»Nein. Herrgott noch mal, das Gesetz gibt so etwas natürlich nicht her. Alle Menschen sind gleich – steht schon im Grundgesetz. Was lernt ihr Polizisten denn eigentlich in eurer Ausbildung?«
»Und wer war vor drei Jahren Sozialamtsleiter in Augsburg?« Davídsson wollte sich nicht weiter provozieren lassen, obwohl er bereits eine Faust in der Tasche machen musste, um dem Birnenkopf nicht gehörig die Meinung zu sagen.
»Das war nicht die einzige Unregelmäßigkeit bei Herrn Reichert. Ich habe ihn vor einem Jahr entlassen. Meine Sekretärin kann Ihnen vielleicht seine Privatanschrift geben.«
»Danke für Ihre Hilfe«, sagte Davídsson mit ironischem Unterton. Er bedauerte die Menschen, die auf solche selbstverliebten Typen und ihre Mitarbeiter angewiesen waren, um über die Runden zu kommen.
»Hören Sie auf mit Ihrem kindischen Zynismus«, sagte der Mann und schleuderte dabei seine Haare in den Nacken.
Die Sekretärin suchte in ihrem Computer nach der Adresse des ehemaligen Sozialamtsleiters. Sie sah wie eine der beiden Blondinen aus, die sich Davídsson in den Armen ihres Chefs vorgestellt hatte. Alles an ihr und um sie herum war entweder pinkfarben oder farblos.
Als sie die Adresse aus dem System geholt hatte, schrieb sie sie mit einem glitzernden Stift auf einen rosafarbenen Block. Bevor die Sekretärin das Papier abreißen konnte, fragte Davídsson sie, ob sie im Einwohnermeldeamt nachfragen könnte, ob Reicherts Anschrift noch aktuell war.
Nach einem kurzen Telefongespräch stellte sich jedoch heraus, dass der ehemalige Leiter des Sozialamtes noch im Monat seiner Entlassung nach München gezogen war. Die Sekretärin sah Davídsson verblüfft an, traute sich jedoch nicht, ihn zu fragen, wie er das ahnen konnte.
Sie waren dieses Mal nicht in die Kantine des Polizeipräsidiums gegangen, sondern saßen nun in Hofbauers Büro. Es war ein schmaler, schlauchartiger Raum, der Davídsson an sein eigenes Büro am Treptower Park erinnerte.
Die Auseinandersetzung mit Landhäuser führte immer noch zu Gerede hinter ihrem Rücken. Das halbe Polizeipräsidium hatte Landhäusers hysterische Stimme in Erinnerung behalten, und das schadete dem Ruf der Kriminalanalysten.
Davídsson war deshalb mit Unbehagen zum Präsidium gefahren. Er hatte sich vorgenommen, künftig wieder sparsamer mit Kritik an Lilian Landhäusers Arbeit zu sein.
Als Lilian Landhäuser in ihr Team gekommen war, hatte Hans-Jürgen Wittkampf Davídsson gebeten, sie am Anfang ein wenig bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Er hatte
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