Outback: Unter australischer Sonne (German Edition)
der Mattscheibe. Es lief irgendeine Frühstücksunterhaltungssendung.
Faith war normalerweise nicht der Typ Mensch, der sich vor die Glotze setzte. Hätte sie über ein Radio verfügt, hätte sie dieses eingeschaltet. Nun aber blieb sie stehen und starrte auf den Bildschirm. Wenn sie dem eingeblendeten Datum samt Uhrzeit glauben konnte, dann hatte sie gut und gerne einen ganzen Tag verschlafen. Sie hob das Telefon an und überlegte. Es war fünf Uhr in der früh, Ian war sicherlich schon wach.
Nach kurzem Zögern begann sie die Ziffern einzutippen. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich mit dem ersten Klingeln. Erst nach dem vierten Mal wurde abgehoben und am anderen Ende meldete sich Elaine. Faith räusperte sich und gab sich zu erkennen.
„Faith! Wir haben gestern Abend versucht dich anzurufen, aber du bist nicht ans Telefon gegangen. Wir haben uns schon Sorgen gemacht“, bemerkte Elaine.
„Es tut mir leid“, gab Faith zurück. „Ich bin ins Bett gefallen und habe bis vor kurzem geschlafen. Das Telefon habe ich gar nicht gehört.“ Sie stockte kurz. „Ist Ian da?“
Am anderen Ende der Leitung war es einen Moment still. Sie konnte hören wie Elaine schluckte.
„Nein, Liebling. Tut mir leid. Ian und Sam sind verreist.“ Zu der Wärme die sich in Faith ausbreitete, als Elaine sie Liebling nannte, gesellte sich ein Klumpen Eis in ihrem Magen.
„Verreist?“
„Ja, sie ...“ Elaine zögerte deutlich. „Sie wollten etwas erledigen. Sie sind ganz früh heute Morgen los gefahren.“
Es war offensichtlich, dass Elaine wusste wo die Beiden hin reisten und es war ebenso offensichtlich, dass sie Faith nicht davon erzählen wollte – oder sollte. Der Eisklumpen verwandelte sich in Beton.
„Okay, dann würde ich mich vielleicht später noch mal melden, wenn ich darf?“ Unschlüssig wartete Faith auf Elaines nächste Worte. Sie konnte ihr Lächeln durch das Telefon hören.
„Du darfst jederzeit anrufen, Faith. Ich bin hier, wenn du reden willst. Ian und Sam werden sicher nur ein oder zwei Tage fort sein.“
Tief durchatmend zwang Faith sich gegen den Brocken in ihrem Bauch anzukämpfen.
„Gut. Dann melde ich mich später noch einmal, Elaine.“
„Mach das, Liebling. Du fehlst mir. Komm bald wieder nach Hause.“ Unvermittelt schossen Faith die Tränen in die Augen und die Kehle schnürte sich ihr zu. Mit erstickter Stimme verabschiedete sie sich hastig und legte auf. Ihre Knie zitterten. Sie machte einen Schritt zu dem Sofa hinüber und ließ sich schwer darauf fallen. Die offensichtliche Zuneigung, mit der Elaine ihr begegnete durchbrach die zunehmend löchriger werdende Mauer, die sie über Jahre um sich herum aufgebaut hatte.
Familie schien zum ersten Mal zu einem Begriff für sie zu werden der ihr jenes Gefühl vermittelte, welches sie sich immer so sehr erhofft hatte. Wärme, Geborgenheit, Liebe. Sie legte das Telefon auf den Tisch und ballte die Hände zu Fäusten. Heute würde sie ihr Leben neu ordnen und sobald Ian und Samantha zurück auf der Ranch waren, wollte sie zu ihnen gehen und mit ihnen reden. Wenn man sie noch wollte, war sie bereit ihre Zelte in Brisbane abzubrechen und ein neues Leben zu beginnen.
Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken, als sie zum zweiten Mal an diesem Tag unter der Dusche stand. Hastig drehte sie das Wasser aus, schob die Tür auf und trocknete sich die Hände ab. Fast hätte sie den Hörer fallen lassen, den sie hektisch ans Ohr hob.
„Ian?“
Einen Augenblick lang herrschte gespenstische Stille am anderen Ende der Leitung, dann vernahm Faith eine Stimme, die sie schon seit Monaten nicht mehr gehört hatte.
„Hier ist deine Mutter, Faith.“
Diesmal war es an Faith für Sekunden wie erstarrt zu sein und keinen Ton heraus zu bekommen. Eigentlich hatte sie ihre Mutter heute Vormittag anrufen wollen. Dass es nun umgekehrt war irritierte sie.
„Bist du noch da?“, wollte Ellen Robinson wissen. Faith räusperte sich umständlich.
„Natürlich, Mutter.“ Ihr Blick flog zu der Armbanduhr hinüber, die sie neben dem Waschbecken abgelegt hatte. Es war neun Uhr früh. Nicht gerade die Zeit, zu der sie mit einem Anruf von Ellen gerechnet hätte, selbst wenn der Kontakt zwischen ihnen mehr oder weniger regelmäßig gewesen wäre. „Wir haben lange nichts voneinander gehört.“ Die Bemerkung konnte sie sich nicht verkneifen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie fast wie Ellen pikiert die schmalen Lippen aufeinander presste.
„Ich möchte dich
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