Pallieter
schweigen, er mußte den tiefen Frieden, das süße Abendgefühl mit Worten zu sich selber sagen können, und er sagte:
»Der Abend läutet, und die Glocke schlägt Ein Engel, den die Wolke trägt.
Ave-Maria!
Der Abend laut’, das fleischgewordne Wort Bei Armen find’ es seinen Ort.
Ave-Maria!«
Und er ließ sich einfach treiben durch den Nebel und den süßen Abendduft.
Als er ans Ufer steigen wollte, blieb er aufrecht im Boot stehen und lauschte auf einen fernen Hirten, der auf seinem Horn tutete.
Und eine Träne stand in seinen Augen.
Dann ist Pallieter beim porzellanenen Lampenlicht ans Lesen gegangen in dem alten Pergamentband:
»Wie man aus den differenten Pflanzen und Blumen und allerhand Kräutlein Balsam und Salben und Öl zu machen versteht, um damit zu heilen allerhand Brand- und Schnittwunden und Verletzungen, als auch von allen Teilen des menschlichen Körpers.«
So wußte er, was er dann pflücken und zurechtmachen mußte, um den Bauern, den Beginen und den armen Leuten und jedermann helfen zu können.
Von Zeit zu Zeit blickte er einmal aus dem Fenster nach dem Mond.
Um halb zehn machte er das Fenster zu, blies die Lampe aus und ging hinauf, um zu schlafen.
Charlot war noch dabei, mit halblauter Stimme Gebete herzusagen.
Er war schon im Hemd und fertig, um ins Bett zu steigen,
aber er sah erst noch einmal durchs Fenster hinaus, wo alles voll Nebel und Mondschein lag. Der Abend war ruhig wie feines Öl. »Es ist eine Sünde, jetzt zu schlafen«, sagte Pallieter, und er sah weiter, mit den Ellbogen aufs Fenster gelehnt, in die Nacht hinaus. Der Maidorn duftete betäubend in der hellen Nacht.
Da flötete wieder die junge Nachtigall.
Pallieter belauschte ihren Gesang. Erst kamen lange, stille Töne, so fein wie eine Nadel; dann wurden es hellere, breitere Klänge mit tiefem, vollem Wasserrauschen darin, und auf einmal brach das aufsteigende Flöten in lauter rollende Triller auseinander. Und die Stille der Nacht, die zwischen jeder Wiederholung lebte, war wie ein Teil des rührenden Sanges, der immer schöner und schöner wurde.
Pallieter spürte ein Zucken im ganzen Leibe, und seine ungestüme Freude wollte in Tonen zum Ausdruck kommen.
Er suchte seine Harmonika, setzte sich auf einen Stuhl an das Fenster, und so, im kühlen Hemd, spielte er ein mächtiges Lied, voll schwer einherschreitender Akkorde, Triller von hohen Noten und Getanze von hellen Mitteltönen. Es wimmelte durcheinander zu einem fröhlichen Marsch, der weit hinausklang, über die mondbeschienenen Felder, in der duftenden Nacht. Und dann erst stieg er in sein Bett und machte ruhig die Augen zu.
Der Garten und Chariots Brief
D as herrliche Laub, das der zarte Mai so toll aus den Bäumen herausgepocht hatte, war nun auseinandergefaltet und verdeckte den Anblick der Welt.
Die Wiesen waren eine Blüte, und das Durcheinander der Düfte von Flieder, Schwertlilien und Petersilie zog bei Tag und Nacht durch die Luft. Es war, um davon in Schlaf zu fallen, wie eine Schlange von süßer Musik.
Wer hätte es in dem weißen Winter auch denken können, daß in der kahlen, harten Erde und den nackten, schwarzen Bäumen eine solche Kraft von herzerfreuendem Leben zusammengepackt steckte?
Pallieter saß im Garten und jätete die jungen Gemüsebeete. Der Boden war weich wie Butter und glänzte von Fettigkeit. Die Sonne schien wie ein warmer Atem auf Pallieters weißes Hemd, und es tat ihm so gut, daß er den Rücken krumm zog und sang.
Zuweilen blieb er eine ganze Zeit lang sitzen und betrachtete den duftenden Reichtum des Gartens, und er hätte noch mehr Augen haben mögen, denn da war mehr Schönheit, als er sehen konnte.
Die Bäume waren breit und voll, und das Licht, das um die Stämme hing, war grün wie Mondschein; es waren schon viele Blumen herausgekommen und weiße und rote Rosen.
Ein Tautropfen glitzerte auf einem schwarzen Stiefmütterchen.
Und in dem wassergrünen Licht spielte das Flöten einer Amsel. Sie saß in dem blühenden Kastanienbaum, innen im Schatten. In dieser frischen Einsamkeit strömte sie ihr Herz wohlig aus, und aus ihrer Kehle zitterte und schleifte ein hellklingendes Lied. Es klang wie in einer Kirche. Heiligkeit lag darin.
»Da muß drauf getrunken werden«, sagte Pallieter zu sich selber und rief mit den Händen um den Mund: »Pastorenwein, Pastorenwein!« Und er aß eine Handvoll Erbsen. Nach einem Weilchen kam Charlot mit einem dickbäuchigen Halbliterkrüglein und einem
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