Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
eine Mauer zu rammen. Auch nicht daran, wie er in sein Bett gekommen war. Aber irgendwie musste er es geschafft haben, denn als er aufs Klo musste und die Augen öffnete, fand er sich in seinem Bett wieder. Er rappelte sich hoch, ohne Licht zu machen, denn seltsamerweise war es bereits dunkel im Haus. Und geradezu mit Wucht kam das Gefühl über ihn, dass es ihm immer noch ziemlich beschissen ging.
Nach dieser nicht gerade erfreulichen Feststellung ging Philipp in die Küche um nachzuschauen, was an Trinkbarem da war und weil es stockfinster im Haus war, schlug er mit dem Knie an einen Stuhl, was seine Stimmung auch nicht gerade hob. Aber es gab immerhin genügend Wein. Die Zehn-Liter-Gallone, die er sich nach seiner Ankunft, fünf, nein sechs Tage war das jetzt her, aus der Bodega geholt hatte, war noch fast voll. Er füllte eine Karaffe und machte sich damit auf den Weg zum Strand.
Nachdem er einige Male über Wurzeln und Sträucher gestolpert war, stellte er fest, dass er wohl immer noch ziemlich betrunken war. Jedenfalls drehte sich ihm die Dunkelheit vor den Augen, obwohl es draußen längst nicht so dunkel war wie im Haus.
Am Strand angelangt, beschloss Philipp, Schluss zu machen mit dem Gestolper und setzte sich in den Sand. Saß einfach da und blickte auf die graue, wie ölige Fläche des Wassers, das mit leisem Schmatzen an ein paar Felsbrocken in der Nähe leckte. Zwischendurch nahm er immer mal wieder einen Schluck aus der Karaffe. Bis er nach einer Weile erneut schläfrig wurde und er machte es sich deshalb bequem, indem er die Beine ausstreckte und sich auf einen Ellenbogen stützte. Vielleicht, sagte er sich, wäre es überhaupt am besten, heute Nacht am Strand zu schlafen. Ab morgen würde ohnehin Schluss sein mit seinem freien, ungezwungenen Leben hier auf der Insel. Und dabei sah er hinüber zu den Felsen, die schwarze, seltsam geformte Schatten auf den Sand warfen. Und plötzlich kam es ihm so vor, als ob sich dort drüben etwas bewegte. Während er noch hinüber starrte, trat aus der Tiefe der Schatten ein Mann hervor. Philipp kniff ein paar Mal die Augen zusammen, aber das Bild verschwand dennoch nicht, und er sah jetzt ganz deutlich, dass es Salvador war, der dort drüben stand. Mit seiner alten, ausgebleichten Mütze und seinem karierten Hemd. Nach einer Weile begann er sogar, mit ihm zu reden, und Philipp musste sich ganz schön anstrengen, ihn zu verstehen, da er drüben bei den Felsen blieb und keinen Schritt näher kam.
„Du weißt, es wird erst eine gute Zisterne, wenn wir sie richtig tief machen“, hörte er ihn sagen.
„Ich weiß“, antwortete Philipp ihm.
„Manche Leute glauben, es reicht schon, einen Meter oder anderthalb in die Tiefe zu gehen, aber hör besser auf mich. Wir wollen eine anständige Zisterne bauen.“
„Ja, das wollen wir. Und du hilfst mir dabei.“
„Darauf kannst du dich verlassen, amigo. Aber ich glaube nicht, dass wir zwei es allein schaffen. Du weißt nicht viel über Zisternen, und ich bin nicht mehr so stark wie früher. Genau genommen war ich nie sehr stark und schau dir an, was aus mir geworden ist.“
Philipp kam es so vor, als ob Salvador immer dünner wurde, bald war er nur noch dünn wie ein Strich. Im gleichen Moment sah Philipp einen zweiten Mann neben Salvador. Er hielt sich zwar tief im Schatten der Felsen, aber Philipp erkannte ihn doch. Seltsamerweise war es sein Vater. Er stand da in seinem grauen Anzug und einer Krawatte, die wie Seide glänzte, aber was wirklich seltsam war, er unterhielt sich mit Salvador, als ob sie gute Freunde seien. Und dann fingen sie sogar an, gemeinsam ein Loch in den Sand zu graben. Ein großes, viereckiges Loch. Jeder hatte eine Schaufel in der Hand und sie arbeiteten wirklich hart. Dabei konnte sich Philipp nicht erinnern, seinen Vater je anders arbeiten gesehen zu haben als an seinem Schreibtisch. Philipp fragte ihn, wie es ihm gehe, aber er war so vertieft in die Arbeit, dass er nicht antwortete.
Während Philipp zusah, wie sein Vater arbeitete, versuchte er, sich zu erinnern, wie sein Vater früher gewesen war. Damals als sie kaum miteinander geredet hatten oder später dann, als es besser geklappt hatte bei ihnen. Wie er manchmal sogar das Gefühl hatte, sein Vater sei ganz zufrieden mit ihm als Sohn. Philipp erinnerte sich daran, wie sein Vater ihn finanziell unterstützt hatte, nachdem er sich selbständig gemacht hatte und seine Agentur gleich anfangs einen ziemlichen Engpass hatte und auch
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