Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
immer schneller. Sie stieg vom Rad und schleppte sich dann, eine Lücke in der Mauer nützend, in den Schatten eines Olivenbaums und legte sich dort auf den Boden.
Wobei sie versuchte, so ruhig wie möglich durchzuatmen und nach und nach wich das Schwindelgefühl wieder, aber dafür stieg plötzlich Angst in ihr auf, eine so tiefe Angst, dass sie am ganzen Körper zu zittern begann. Kein Zweifel, irgendwas war mit ihr. Sie war krank. Sie dachte an das Kind in ihr und dass ihre Krankheit ihm womöglich schaden konnte, wobei ihr Tränen in die Augen stiegen. Schließlich deutete so vieles daraufhin, dass sie vielleicht sehr krank war: diese bleierne Müdigkeit, unter der sie seit Tagen litt, die Kraftlosigkeit in ihren Gliedern. Sicher, auch in den vergangenen Jahren war ihr solch eine Gluthitze manchmal zu viel geworden, aber sie hatte nie solche Probleme gehabt wie im Moment. Und während sie unter dem Olivenbaum lag, kam ihr das Stück grellblauer Himmel, das durch die Äste zu sehen war, wie ein Werk des Teufels vor und sie sehnte sich nach einem, wenn auch noch so schwachen Lufthauch, der diese drückende Schwüle, die sie kaum atmen ließ, von ihr nahm. Aber nicht das sanfteste Lüftchen war zu spüren, die verdorrten Stängel der Grashalme neben ihr standen da wie erstarrt.
Plötzlich war drüben vom Camino her, wo sie ihr Rad gelassen hatte, ein Geräusch zu hören. Ein kleiner Stein kollerte, Füße scharrten über den Boden. Paloma setzte sich hastig auf und wischte mit ihrem Rock Schweiß und Tränen vom Gesicht und da tauchte auch schon ein Mann auf. Anfangs stach Paloma nur das Weiß seines Hemdes in die Augen, aber dann formten ein paar Einzelheiten, eine Brille, ein schmaler Bart auf der Oberlippe, doch ein Gesicht. Sie stand auf, suchte kurz Halt an der Mauer, aber es ging ihr jetzt besser. Sie konnte wieder aufrecht stehen, ohne dass ihr die Umgebung vor den Augen verschwamm.
„Was ist los? Geht es Ihnen nicht gut?“, rief der Mann zu ihr herüber.
„Doch, doch. Ich musste nur kurz in den Schatten, hab wohl zu viel Sonne abbekommen“, antwortete Paloma. Sie hatte den Mann jetzt erkannt. Es war El Profesor, derjenige, den sie damals um Rat gefragt hatte wegen ihres Briefes an Philipp. Sie überstieg an der gleichen Stelle wie vorhin die Mauer, wo abgerutschte Steine eine Lücke bildeten und hob ihr Rad auf, das mitten auf dem Weg lag.
„Ja, es ist schlimm in diesem Sommer. Das macht der Südwind, der bringt die schwüle Luft mit sich. An Tagen wie diesen kaum auszuhalten. “
Paloma nickte.
„Ich will ans Wasser, da geht’s noch einigermaßen. Ich kenne da eine Stelle, zwischen Cap und Cala Sahona, eine kleine Bucht, wo kaum mal jemand hinkommt.“
Paloma sah, dass sein Gesicht und sein Hals tiefbraun waren, so als ob er oft am Wasser war. Paloma erinnerte sich, wie sie früher mit dem Vater einmal zum Baden am Strand an der Cala Dragonera gewesen war. Aber das war schon lange her, sie war noch ein Kind gewesen damals. Sie stand da, mit der Lenkstange des Rades in der Hand und wusste nicht recht, was sie sagen oder tun sollte. Als El Profesor sich in Bewegung setzte, tat sie es ebenfalls.
„Ich weiß noch gut, wie Sie mal bei mir waren. Vor ein paar Jahren. Sie brauchten jemand, der sich mit der deutschen Sprache ein wenig auskannte, erinnern Sie sich?“
Paloma nickte erneut.
Sie gingen langsam. Paloma schob ihr Rad. Aber obwohl es sicherlich nicht kühler geworden war in der Zwischenzeit, empfand sie die Hitze im Moment nicht mehr so unerträglich.
„Es geht mich ja nichts an. Und Sie müssen auch nicht antworten, aber mich würde doch interessieren, ob Ihnen jener Mann später dann doch seine neue Anschrift mitgeteilt hat.“
„Ja, das hat er.“ Paloma verschwieg, um wie viele Jahre später.
„Damals war ich noch nicht lange auf der Insel. Vielleicht erinnere ich mich deshalb so gut daran. Ich glaube, Sie waren überhaupt die erste, die zu mir ins Schulhaus kam, mit Ausnahme der Kinder natürlich. Manches war ziemlich schwierig für mich damals.“
Paloma blickte ihn überrascht an. „Wieso? Hat es Ihnen nicht gefallen auf Magali?“
„Gefallen? Ich weiß nicht ... vieles war eben doch so ganz anders. Magali kam mir schrecklich klein vor. Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass es so vieles hier nicht gab, keine größere Stadt in der Nähe, keine Bibliotheken, kein Theater, Kino, nichts. Waren Sie schon mal im Kino?“
„Nein.“
„Ich auch schon ewig nicht mehr.
Weitere Kostenlose Bücher