Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
– allerdings gaben die meisten auch gleichzeitig eine Menge aus. Ja manche der Inselbewohner lebten derart üppig als ob ihnen ein Lotteriegewinn in den Schoß gefallen sei.
Auch an Paloma war der warme Geldregen nicht spurlos vorüber gegangen. Statt eines einzigen guten Kleides besaß sie nun mehrere und ihre Stoffschuhe trug sie nur noch auf dem Hof. Und ihr war durchaus bewusst, wie sehr sie sich mittlerweile von ihrem früheren Leben entfernt hatte. Und von dem, das noch ihre Eltern geführt hatten. Als sie jetzt im August Mandeln und Feigen erntete und die Feigen zum Trocknen auf dem Stalldach in die Sonne legte, war sie sich sehr wohl bewusst, dass diese Arbeit weniger einbrachte als der Pulloververkauf. Und dass ihr Kind diese Arbeit vielleicht nicht einmal mehr kennen lernen würde. Aber zu ihrem Leben gehörte es jedenfalls noch. Ein Sack voller sonnenwarmer Mandeln, das Gackern der Hühner und das Meckern und Blöken ihrer Ziegen und Schafe war noch immer das, was ihr Leben reich machte. Nicht die Peseten, die Antonia ihr jede Woche auf den Tisch blätterte.
Eine größere Anschaffung leistete sie sich dennoch. Sie kaufte sich ein Fahrrad. Das sie auch dringend brauchte, da sie nun häufiger als früher unterwegs war. Hauptsächlich zu den Frauen, die für sie strickten. Dass sie ansonsten ihr Geld zusammenhielt, wo immer möglich, hatte zum einen mit der Rückzahlung der Hypothek auf den Hof zu tun, aber auch, weil sie dem momentanen Pesetenregen nicht so recht traute. Was war zum Beispiel, wenn es nächstes Jahr vielleicht nicht mehr so gut lief mit ihren Pullovern? Schon ihres Kindes wegen erschien es ihr notwendig, an die Zukunft zu denken.
Paloma hatte lange darüber nachgedacht, ob sie Philipp ihre Schwangerschaft mitteilen sollte. Schließlich entschied sie sich dagegen. Sie bezweifelte zwar nicht, dass sie ihn liebte und dass es niemals einen anderen Mann für sie geben könnte. Aber Philipp war eben kein Mann von der Insel. Was einerseits anziehend machte, trennte sie gleichzeitig aber auch. Dass sie jetzt ein Kind von ihm in sich trug, war für sie der größte Glücksfall, den sie sich denken konnte. Philipp dagegen, einem verheirateten Mann, würde die Situation höchstens unlösbare Probleme schaffen.
Wie für viele der Inselbewohner waren auch für Paloma die Monate Juli und August die beiden härtesten Monate des Jahres. Ausgerechnet dann, wenn die Hitze nahezu unerträglich wurde, hatten sie Hauptsaison und mussten hart arbeiten. Aber niemals zuvor hatte Paloma so unter den hohen Temperaturen gelitten wie in diesem Sommer. Es kam ihr so vor als ob ein schwefelgelber Pesthauch sich über die Insel legte. Bereits am Vormittag war ihr Nacken schweißnass in dieser dämpfigen Schwüle und sie fühlte sich matt und abgeschlagen.
Da die Temperaturen am Morgen noch am erträglichsten waren, stand sie früh auf und versorgte die Tiere, den Gemüsegarten und wusch die Wäsche. Wenn dann die Sonne so gegen zehn immer stärker an Kraft gewann, kehrte Paloma ins Haus zurück, wischte den Boden und bereitete das Essen vor. Normalerweise fühlte sie sich um die Zeit noch frisch und kräftig, gegen später stieg jedoch eine unerklärliche Müdigkeit in ihr auf und sie hatte kaum die Kraft, sich von einem Stuhl zum anderen zu schleppen. Gewöhnlich legte sie sich für eine Weile auf ihr Bett, aber es war zu heiß zum Schlafen. Manchmal hatte sie das Gefühl, auf der weichen Matratze regelrecht zu ersticken. Wenn sie wieder aufstand, war das Laken feucht vom Schweiß, und sie fühlte sich matter als zuvor. Wenn es gar nicht mehr anders ging, holte sie Wasser aus der Zisterne und ließ es sich über Arme und Beine laufen, bis die Haut zu kribbeln begann. Was aber auch nur für einen Moment ein wenig Erleichterung brachte.
Eines Nachmittags fing Paloma früher als gewöhnlich mit ihrer Runde zu den Frauen an, die für sie strickten. Sie wollte Rosalia Amer aufsuchen, zu der sie nur selten kam, da es eine ziemliche Strecke war bis zu ihrem Haus. Paloma bestieg ihr Fahrrad und bog in einen Camino Richtung Es Cap ab.
In der völligen Windstille staute sich die Hitze geradezu zwischen den Mauern links und rechts vom Weg. Und da er sanft, aber stetig anstieg, lief Paloma schon bald der Schweiß übers Gesicht. Jeder Tritt in die Pedale kostete sie unendlich viel Kraft, keuchend rang sie nach Luft. Plötzlich, sie wusste nicht, wie ihr geschah, tanzten rote Kreise vor ihren Augen, drehten sich, wurden
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