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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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bläulichem Licht erfüllen.
    An einer Wand hängt ein kleines Holzkreuz mit der Figur eines Mannes daran. Ich erkenne das Bild – es stammt aus der Zeit vor dem Heilmittel, aus einer der alten Religionen, obwohl ich im Moment nicht weiß, aus welcher.
    Ich fühle mich plötzlich zurückversetzt in Amerikanische Geschichte in der elften Klasse und zu Mrs Dernler, die uns hinter ihrer riesigen Brille anstarrte, mit dem Finger auf das offene Geschichtsbuch klopfte und sagte: »Seht ihr? Seht ihr? All diese alten Religionen waren von Liebe verseucht. Sie stanken nach Deliria. Sie verströmten sie.« Und natürlich kam mir das damals schrecklich vor und ich hielt es für wahr.
    Liebe, die gefährlichste aller Krankheiten.
    Liebe, sie endet auf jeden Fall tödlich.
    Alex.
    Ob man sie hat …
    Alex.
    Oder nicht.
    Alex.
    »Du warst halb tot, als wir dich gefunden haben«, sagt das schwarzhaarige Mädchen nüchtern, als sie zurück ins Zimmer kommt. Sie hält vorsichtig eine tönerne Schale in beiden Händen. »Mehr als halb tot. Wir haben nicht damit gerechnet, dass du es schaffst. Aber ich fand, wir sollten es wenigstens versuchen.«
    Sie wirft mir einen zweifelnden Blick zu, als wäre sie sich nicht sicher, ob ich den Aufwand wert war, und einen Moment lang muss ich an meine Großcousine Jenny denken, an die Art, wie sie immer mit in die Hüfte gestemmten Händen dagestanden und mich gemustert hat, und ich muss schnell die Augen schließen, damit nicht alles wiederkommt – die Flut aus Bildern und Erinnerungen aus einem Leben, das es nicht mehr gibt.
    »Danke«, sage ich.
    Sie zuckt mit den Achseln, sagt aber: »Gern geschehen«, und scheint es auch so zu meinen. Dann zieht sie den Holzstuhl neben das Bett und setzt sich. Sie hat lange Haare, die über ihrem linken Ohr verfilzt sind. Darunter hat sie die Eingriffsnarbe – ein dreizackiges Mal –, genau wie Alex. Aber sie kann nicht geheilt sein, denn sie ist hier, auf der anderen Seite des Zauns: eine Invalide.
    Ich versuche mich ganz aufzusetzen, aber schon nach wenigen Sekunden Anstrengung muss ich mich erschöpft wieder zurücklehnen. Ich komme mir wie eine Marionette vor, die halb zum Leben erweckt wurde. Hinter meinen Augen spüre ich außerdem sengenden Schmerz, und als ich nach unten blicke, sehe ich, dass meine Haut immer noch von einem Netz aus Schnitten, Kratzern und Schrammen, Insektenstichen und Schorf überzogen ist.
    In der Schale, die das Mädchen in den Händen hat, ist klare Brühe mit einem winzigen bisschen Grün darin. Sie macht Anstalten, sie mir zu geben, dann zögert sie. »Kannst du sie halten?«
    »Natürlich kann ich sie halten«, erwidere ich in schärferem Tonfall als beabsichtigt. Die Schale ist ziemlich schwer. Ich habe Schwierigkeiten, sie zum Mund zu führen, aber schließlich gelingt es mir. Meine Kehle ist so rau wie Schmirgelpapier und die Brühe fühlt sich himmlisch an. Trotz ihres seltsamen moosigen Nachgeschmacks stürze ich den Inhalt der Schale in einem Zug hinunter.
    »Langsam«, sagt das Mädchen, aber ich kann nicht aufhören. Plötzlich klafft Hunger in mir auf, schwarz, endlos und alles verzehrend. Sobald die Brühe weg ist, giere ich nach mehr, obwohl ich sofort Magenkrämpfe bekomme. »Sonst wird dir nur schlecht«, fügt das Mädchen kopfschüttelnd hinzu und nimmt mir die leere Schale ab.
    »Gibt es noch mehr?«, krächze ich.
    »Später«, antwortet sie.
    »Bitte.« Der Hunger ist wie eine Schlange, die mit ihrem Schwanz meine Magengrube peitscht.
    Das Mädchen seufzt, steht auf und verschwindet durch den dunklen Türrahmen. Ich meine die Stimmen und Geräusche im Flur anschwellen zu hören. Dann unvermittelt Stille. Das schwarzhaarige Mädchen kehrt mit einer zweiten Schale Brühe zurück. Ich nehme sie ihr ab und sie setzt sich wieder, zieht die Knie an die Brust wie ein kleines Kind. Ihre Knie sind knochig und braun.
    »Also«, fragt sie, »wo bist du rübergekommen?« Als ich zögere, ergänzt sie: »Schon okay. Du musst nicht davon reden, wenn du nicht willst.«
    »Nein, nein. Schon gut.« An dieser Schale Brühe nippe ich nur, koste ihren seltsamen erdigen Geschmack: als wäre sie aus Steinen gekocht worden. Wahrscheinlich ist das auch so. Alex hat mir mal erzählt, dass die Invaliden – die Menschen, die in der Wildnis leben – gelernt haben, mit den allerknappsten Vorräten zurechtzukommen. »Ich bin in Portland rübergeklettert.« Viel zu schnell ist die Schale wieder leer, obwohl die Schlange noch

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