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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Preziosität und Privilegiertheit einmal hinweg, zollt der Selbstgefälligkeit der Anwesenden keinen Tribut und läßt den fürchterlichen Luxus der ganzen Angelegenheit außer acht, so ist dies ein herrliches Ereignis. Malen Sie sichalso aus, wie hocherfreut ich war, als Anfang dieser Woche einer meiner ehemaligen Studenten, heute ein international agierender Spion von wachsendem Ansehen, mich einlud, ihn dort zu treffen und mir eine Neuinszenierung von
La Traviata
anzusehen, unter der Regie von Sir Peter, Sir Peter, Sir Peter irgendwas.
    Ich vermochte kaum stillzuhalten und Glambidge, meinen Adlatus, meine Binde binden, meine Kragenknöpfe knöpfen und meinen Gürtel gürten zu lassen, so aufgeregt war ich, als der Tag gekommen war. Ich liebe das Anlegen vollen Festwichses; eine junge Amerikanerin verriet mir einst, daß ich darin »irngwie sexy« aussehe, und so etwas vergißt man nicht. Mein persönlicher Alptraum ist, die Eleganz zu übertreiben, und Glyndebourne hat wenigstens den Vorteil festgelegter Garderoberegeln. Smoking oder gar nichts. Allerdings nehme ich an, gar nichts würde mit einem Stirnrunzeln bedacht, wenn nicht mit Ausschluß geahndet.
    Glambidge und ich kamen gerade noch rechtzeitig an, um den ersten Akt zu versäumen. Glambidge trifft keine Schuld, er holte das Äußerste aus dem Wolseley heraus. Dummerweise scheint dieses Äußerste bei neunundzwanzig Kilometern pro Stunde zu liegen. Wie dem auch sei, wir konnten uns vor der Pause noch fünf Minuten lang die Zeit vertreiben, Minuten, in denen ich das Gelände sondierte und mir Gedanken über die besonders durchdringende Qualität feinen, kalten, sommerlichen Fahrtregens machte. Der Akt endete zu gegebener Zeit, und die Zuschauer strömten aus dem – na ja, dem Zuschauerraum heraus.
    Meine Damen und Herren, Mutter, Freunde: Stellen Sie sich meine Verlegenheit vor, veranschaulichen Sie sich meine Verzweiflung, denken Sie sich meine Bekümmerung. Dieses Opernpublikum, jeder einzelne Herr Hans und jede einzelne Frau Grete, trug etwas, das ich nur als die allerentsetzlichsteAnsammlung von Alltagskleidung beschreiben kann. Die einzigen sichtbaren schwarzen Binder schlangen sich um die Hälse des Saalpersonals. Mein ehemaliger Student eilte auf mich zu. »Aber Herr Professor«, gellte er, »wofür haben Sie sich denn bloß so herausgeputzt? Das ist heute doch die Generalprobe – ich dachte, Sie wüßten Bescheid.«
    Ich war zur öffentlichen Generalprobe in Abendgarderobe erschienen.
    Wörter, Tausende von Wörtern trudeln mir durch den Kopf, manche englischen, viele andere exotischen Zungen entpflückt; keines davon, nicht ein einziges ist imstande, ein Fünkchen eines Jotas eines Schattens einer Spur eines Grans eines Bruchteils eines Hauchs eines Zehntels eines Teilchens meines Entsetzens, meiner Beschämung und bemitleidenswerten Verzweiflung zu beschreiben. Ich bin absolut überzeugt, daß unter sämtlichen Fauxpas, Fettnäpfen, Taktlosigkeiten, Schnitzern und magenumdrehend fürchterlichen Böcken, die man schießen kann, übertriebene Eleganz das Feld mit einer satten Achtelmeile Vorsprung anführt.
    Ichabod, ohimé, eheu, aïee! Gleich einem Eisvogel tauchte ich in die Örtlichkeiten ab, schmiß die Tür hinter mir ins Schloß und gab mich dort die nächsten zweieinhalb Stunden meinen Tränen hin. Jeder einzelne halb mitleidige, halb verächtliche Blick, der mir während meiner Flucht in dieses Refugium zuteil geworden war, spulte sich erneut vor meinen gequälten Augen ab. Alle hatten sie mich angestarrt wie einen neureichen armenischen Millionär, der auf einer Soiree der British Legion gekaufte Orden trägt, oder wie einen frisch arrivierten Bürgermeister, der nicht einmal in der Badewanne seinen Ratsherrenornat ablegt. Hätte ich bloß Glambidge nicht erlaubt, nach Lewes zu fahren und seine Frau zu besuchen, die dort etwas außerhalb in einemIrrenhaus lebt, wäre ich wenigstens imstande gewesen, mich nach Hause fortzustehlen. Wie es nun aber stand, krümmte ich mich die volle Spiellänge im Schweiß meiner Schande.
    Jetzt jedoch, im kalten Lichte der Vernunft, frage ich mich, ob ich nicht womöglich ein wenig überreagiert habe. Hätte nicht vielleicht ein besonnenerer Mann das ganze Mißverständnis mit einem wegwerfenden Lachen abgetan? Hatte ich nicht doch etwas von einem Snob an mir, indem ich meine Selbstverachtung auf die anderen projizierte? Falls jemand dort gewesen ist und mich gesehen hat, könnte er mir vielleicht schreiben

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