Papierkrieg
wollte meine schöne
Beifahrerin nach ihrem Ziel befragen, aber da war nicht viel herauszuholen aus
der Kleinen. Nur ein genuscheltes »Heim« war ihr zu entlocken, dann war sie
sanft entschlummert. Die Ampel schaltete auf Grün und ich fuhr weiter. Ganz
konnte ich dem Spaß nicht entsagen, und so ließ ich den Motor erst richtig
kommen und anschließend sachte die Kupplung schleifen. Die Reifen bissen und
400 Pferde katapultierten uns die Felberstraße hinunter, der Wagen lag perfekt,
wie auf Schienen ging es dahin, kein unkontrolliertes Schlenkern, kein
Korrekturlenken war nötig. Auch beim Schalten in den Zweiten verhielt sich das
Auto so sanft wie ein Kätzchen, perfekt ausbalanciert verteilte sich der Druck
auf beide Achsen, es war herrlich.
Noch ein wenig wollte ich den Spaß auskosten, mit quietschenden
Reifen unter der Westbahn hindurch, danach mit ordentlich Gas die Schlossallee
runter nach Schönbrunn. Was für einen Rausch ein solch seelenloses Ding wie ein
Verbrennungsmotor doch erzeugen kann. Langsam gewann ich wieder die Herrschaft
über mich und ließ den Benz sanft an einem der Parks ausrollen. Ich beugte mich
zu meiner Kopilotin hinüber und wollte sie sanft wecken, aber da war nichts zu
machen. So gönnte ich mir einen kurzen Augenblick lang den Genuss des Anblicks
ihrer nackten, weißen Schenkel, bevor ich ihr den Rock wieder über das Knie
hinunterzog.
Wenn sie mir schon nicht sagen konnte, wo sie
hinwollte, dann vielleicht ihre Handtasche. Ich holte mir die kleine Tasche,
tatsächlich D&G, und öffnete den Druckknopf. Die Brieftasche lag zuoberst,
aber mich interessierte sofort etwas anderes. Waffenöl und Pulvergeruch kamen
aus der Tasche, wo doch irgendein wie auch immer benannter ›Fragrance‹-Duft
hätte vorherrschen sollen. Ich nahm die Brieftasche weg, und tatsächlich kam
darunter ein seidenes Tuch zum Vorschein, das nur ungenügend die Form eines
kleinen, gedrungenen Revolvers verdeckte. Ich legte die Brieftasche auf das
Armaturenbrett und nahm den Revolver vorsichtig mit dem Taschentuch heraus. Was
für eine Verschwendung, dachte ich, das eigelb gefärbte Seidentuch war fleckig
vom Öl. Der Revolver selbst war alt und schwarz. Etliche Schrammen im Metall
sowie im Holzgriff verrieten häufigen Gebrauch. Außerdem war er kurzläufig und
die Kammer noch mit allen sechs Schuss gefüllt. Ich schnupperte. Kein Zweifel,
aus der Waffe war vor Kurzem ein Schuss abgefeuert worden. Behutsam legte ich
die Knarre zurück in die Tasche und nahm die Hände meiner Gastgeberin genau in
Augenschein. Sie waren schlank und wohlgeformt, ein schmaler Weißgoldring an
der linken Hand war der einzige Schmuck, und auch Pulverrückstände konnte ich weder
sehen noch riechen. So viel CSI hatte ich gesehen, um mich soweit auszukennen.
Ein wahnwitziger Plan formte sich hinter meiner Stirn. Ich
schaltete das Radio ein, schloss meinen iPod an das von Mercedes entworfene
iPod-Dock an und ließ mir von Lester Young ›That’s All‹ in der wunderbaren
Version von ›A Night out with Verve‹ blasen. Bei seinem zweiten Einsatz, der
ganz sachte rauchig das kleinere Thema des ersten Solos abwandelt, war ich mir
sicher, was zu tun wäre, schließlich hatte ich genug Chandler und Hammett
gelesen. Wo so viel Geld herkam, dass das Fräulein Tochter Gucci trägt und Benz
fährt, könnte auch für mich was drin sein.
Ich öffnete die Brieftasche und sah die Karten durch. Schließlich
wurde ich fündig. Sabine Meyerhöffer, Untere Schreibergasse 6, irgendwo oben in
Grinzing. Ich steckte mir eine der Karten ein, Lester jubilierte gerade über
dem verrückten Rhythmus von ›In a little spanish town‹, und fuhr dann weiter.
›Highway to Hell‹ hätte zwar besser gepasst, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt
noch nicht.
Einen Moment lang machte ich mir Sorgen, wie denn die genaue
Adresse zu finden wäre, da mein Fahrgast nicht imstande gewesen wäre, mir zu
helfen. Aber auch daran hatte Mercedes – oder war es der findige Herr Papa
gewesen? – gedacht, und ein GPS-Gerät eingebaut. Die Bedienung war
kinderleicht und schon führte mich der elektronische Lotse mit der Stimme von
Brad Pitt hinaus in die schöne Gegend.
Die Straßen waren nur wenig befahren, das GPS arbeitete gut,
Lester blies wie gewohnt stilsicher und souverän, das Auto zu fahren war wie
Schokolade essen und auf dem Beifahrersitz saß eine Schönheit. Aber irgendwie
wurde ich dabei nicht richtig
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