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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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jungen, in einer Einzelzelle eingeschlossenen und bis dahin ganz vernünftigen Menschen bringen können. So weit nämlich, daß er an seine Phantastereien glaubt und in den Luftschlössern, die sein fruchtbarer Geist mit unglaublich lebhafter Phantasie baut, beinahe leibhaftig zu leben, zu wohnen beginnt.
    Seitdem sind sechsunddreißig Jahre vergangen, und dennoch gelingt es mir, ohne mein Gedächtnis besonders anzustrengen, fließend niederzuschreiben, was ich in jenen Tagen dachte.
    Den Geschworenen werde ich also nichts tun. Aber dem Staatsanwalt? Ihn darf ich nicht übergehen. Für ihn habe ich ein fertiges Rezept bereit, das ich von Alexander Dumas übernehme. Ich werde genau wie im »Grafen von Monte Christo« verfahren, wo man den Kerl im Gefängnis vor Hunger krepieren läßt. Denn Pradel ist schuldig. Dieser in Rot gehüllte Habicht verdient es, aufs schrecklichste hingerichtet zu werden, ja und nochmals ja – nach Polein und den Polypen werde ich mich ausschließlich mit diesem Raubtier beschäftigen. Ich werde eine Villa mieten, sie muß einen sehr tiefen Keller haben mit dicken Mauern und einer schweren Tür, und wenn die Tür nicht dick genug ist, werde ich sie selbst mit einer Matratze und Werg verstopfen. Sobald ich die Villa habe, werde ich Pradel stellen und entführen. Ich werde in die Kellermauer Ringe einlassen und ihn dort sofort anketten. Und dann – Mahlzeit!
    Ich stehe ihm gegenüber und sehe ihn genauso an, wie er mich vor Gericht angesehen hat. Ich fühle beinahe seinen warmen Atem, wir stehen ganz nahe voreinander, Nase an Nase, wir berühren uns fast.
    Seine Habichtsaugen sind vom Licht der starken Scheinwerfer, die ich auf ihn richte, geblendet, irritiert.
    Dicke Schweißtropfen rinnen ihm über das blutunterlaufene Gesicht. Ich höre meine Fragen – lausche seinen Antworten. Ich durchlebe diese Minuten sehr intensiv.
    »Erkennst du mich, du Schweinehund? Ich bin es, Papillon, den du so flott auf lebenslängliche Zwangsarbeit geschickt hast! Du meinst wohl, es war der Mühe wert, so viele Jahre zu büffeln, die Nächte über römischen und anderen Gesetzbüchern zu verbringen, Latein und Griechisch zu lernen und die Jahre der Jugend zu opfern, um ein hochgebildeter Mann und ein großer Redner zu werden? Um das Arschloch zu werden, das du bist? Hast du es etwa getan, um ein neues, gutes Sozialgesetz zu schaffen? Um die Narren davon zu überzeugen, daß Frieden das Beste auf Erden ist? Um die Gedankengänge einer großen, wunderbaren Religion zu verkünden? Oder wenigstens, um mit deiner auf der Universität erbüffelten Überlegenheit die Menschen dazu zu bringen, daß sie sich bessern und nichts Böses mehr tun? Hast du dir dein Wissen erworben, um irgendeinen armen Teufel zu retten?
    Nichts von alledem. Du warst nur von dem einen, einzigen Wunsch besessen: emporzusteigen, nach oben zu gelangen, die Sprossen deiner widerlichen Karriere hinaufzuklettern, dir den Ruhm zu erwerben, der beste Lieferant des Bagnos zu sein und ein zügelloser Zutreiber für den Henker, für die Guillotine.
    Wenn der Scharfrichter etwas dankbarer wäre, müßte er dir zu jedem Jahresende eine Kiste feinsten Champagners schicken. Hat er es denn nicht dir zu verdanken, daß er dieses Jahr fünf bis sechs Köpfe mehr abschlagen konnte? Jetzt aber bin ich es, der dich an diese Mauer gekettet hält. Ich sehe dein Lächeln wieder, ja ich sehe die Siegermiene deutlich vor mir, die du aufsetztest, als man nach deinem Strafantrag das Urteil verlas. Es kommt mir vor, als sei das alles erst gestern gewesen – und doch liegt es schon Jahre zurück. Wie viele? Zehn? Zwanzig?«
    Aber – was ist los mit mir? Warum denn zehn Jahre? Warum gar zwanzig? Rühr dich, Papillon! Du bist stark, du bist jung, und du hast fünftausendsechshundert Franc im Bauch. Zwei Jahre werde ich von meinem Lebenslänglich absitzen, und keines mehr – das schwöre ich.
    Wahrhaftig, du fängst an, närrisch zu werden, Papillon. Die Zelle, die Stille, das Alleinsein treiben dich zum Wahnsinn. Ich habe keine Zigaretten. Die letzte habe ich gestern geraucht… Ich werde umhergehen.
    Schließlich ist es nicht nötig, die Augen geschlossen zu halten und das Taschentuch draufzudrücken, um vorauszusehen, was kommen wird … Ich stehe auf. Die Zelle ist vier Meter lang, das sind fünf kleine Schritte von der Tür bis zur Mauer. Die Hände auf dem Rücken, fange ich zu gehen an und rede dabei weiter.
    »Wie gesagt, ich sehe dein Siegerlächeln

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