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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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sich ergeben. Schneeregen stach dicht auf ihre Gesichter ein, und die plötzliche Stille trug die scharfen Rufe der Sieger weit. Sie wurden zusammengetrieben wie das Wild von den Treibern. Noch immer gab es Verrückte, die fliehen, sich verstecken wollten, die wurden abgeschossen.
    Die Spuren der Schritte wurden vom Wind gleich wieder verweht.
    An dem Morgen, an dem sie im anderen Wagen den Jakab kahl schoren, war er sehr früh aufgeschreckt. Wer sich erinnert, oder wer von seinen Träumen gezwungen wird, nicht zu vergessen, untersucht seine Vergangenheit nicht. Um nicht Dankbarkeit für sein elendes Leben, das in seinen Träumen häufig mit dem Tod endete, empfinden zu müssen, stand er rasch auf. Der Gedanke soll nicht in der Luft hängenbleiben, wo er ja doch nichts verändern kann. Er zog die gestreifte Pyjamajacke aus und trat ins Freie hinaus, wie einer, der auf den neuen Tag nicht neugierig ist.
    Unter lauen Dünsten rötete sich der Sommerhimmel.
    Er stellte das saubere Emaillebecken auf die Wagentreppe und goss Wasser aus der Kanne hinein. Morgens verwendete er keine Seife, sondern klatschte sich das Wasser vorgebeugt an den Körper. Zuerst ans Gesicht und den Hals, dann unter die Achselhöhlen, an die Arme, ein wenig auch an den Rücken, ein wenig ans Gestrüpp seiner Brust, aber so, dass ihm das Wasser nicht in die Hose floss. Er trocknete sich ab, schüttete das verbrauchte Wasser unter den Wagen und stellte das Becken neben die Treppe zum Trocknen an die Sonne.
    Die leere Kanne blieb auf der Treppe stehen, es war die Aufgabe des Jungen, frisches Wasser zu holen.
    Dann schloss er sich wieder in den Wagen ein. Hier saß stickig die Nachtluft, durchs kleine Fenster kam kaum Licht. Während er sich anzog, sah er nicht viel, ohne Brille. Seine blaue Arbeiterhose mit den weiten Beinen trug er nie länger als eine Woche, die Unterwäsche und das Hemd wechselte er alle zwei Tage. Er hatte karierte, sich nur in den Farben der Quadrate unterscheidende Zefirhemden, wenn sich sonnengebleichtes Schwarz von ausgewaschenem Blau oder verblasstes Grau von entfärbtem Braun überhaupt zu unterscheiden vermögen.
    Auch János Tuba trug solche Hemden, arbeitete aber am liebsten mit nacktem Oberkörper.
    Bizsóks Brille lag auf dem kleinen Tisch zwischen den sorgfältig geordneten Papieren.
    Die gewölbten Linsen schauten ihn aus dem Dämmer an, jeden Abend legte er sie so hin, mit eingeklappten Bügeln. Es war Herbst geworden, bis er einigermaßen wieder zu Kräften gekommen war, und Frühling, bis er merkte, dass sein Körper zwar schon ziemlich erstarkt war, aber seine Augen sich nicht gebessert hatten. Seither waren die Gläser zweimal in stärkere ausgewechselt worden, beim zweiten Mal hatte der Optiker seine Arbeit allerdings ziemlich unwirsch verrichtet.
    Wo war schon jener mürrische Optiker.
    Bizsók fuhr alle zwei Wochen nach Hause, vom Bahnhof musste er zu Fuß über den Marktplatz zur Bushaltestelle. Jedes Mal führte ihn sein Weg an dem Optiker-Fachgeschäft vorbei, und er blieb jedes Mal auch stehen. Drinnen bedienten zwei junge Frauen. Sie trugen kurze weiße Arbeitskittel aus einem leicht durchsichtigen Stoff, und beide hatten gleicherweise hochgetürmtes Haar. Unter den neuen Brillengestellen im Schaufenster gab es kaum eins, das er nicht zu teuer gefunden hätte, und nach seinem Geschmack waren sie auch nicht.
    Eigentlich war er nicht dem uralten, eindeutig müllreifen Gestell seiner Brille treu, sondern etwas anderem, das er nicht hätte benennen können.
    Jeden Morgen zog er die Schublade des Tischchens heraus und holte zwischen den Lohntüten den Wildlederlappen hervor. Es gab keinen tieferen und vollkommeneren Moment in seinem Leben. Mit dem Erwachen bewahrte er seinen Traum, die Träume bewahrten seine Vergangenheit. Er passte auf, das zerbrechliche, müde Material erforderte Vorsicht, zu denken gab es nichts. Er verrichtete eine einfache Handlung, aber doch zwischen vergangenen Geschehnissen. Es war sein zerbrechliches Schicksal, das er jeden Morgen in den Händen hielt.
    Zuerst klappte er die Bügel auf und sah nach, ob die Stifte noch hielten. Wurde einer lose oder fiel gar heraus, war das kein großes Unglück. Er hatte zu Hause einen winzigen Hammer. Wie er zu dem gekommen war, wusste er nicht mehr genau, solche Instrumente haben eigentlich nur Uhrmacher und Juweliere, aber er hatte eben eins. Mit diesem Hammer wusste er seine Stifte in Sicherheit. Aber einmal ging auch der Bügel entzwei, und

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