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Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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geheiratet; sie war der Inbegriff einer würdigen und kratzbürstigen Gefährtin eines Bankiers, häßlich und dick, sie hatte alles von einer Kontoristin und Kassierin und nichts von einer Frau; sie verstand sich aufs Rechnungswesen, trieb ihr Spiel mit der doppelten Buchführung und hätte notfalls auch die dreifache erfunden; eine geborene Administratorin, das Weibchen eines Administrators.
    Liebte sie Monsieur Boutardin, und wurde sie von ihm geliebt? Ja, in dem Maße, wie diese Industrieherzen lieben konnten; ein Vergleich soll ein abschließendes Bild der beiden malen: sie war die Lokomotive, er der Heizer und Lokführer; er sorgte für ihre gute Wartung, polierte sie, ölte sie, und so rollte sie seit einem halben Jahrhundert dahin, mit genausoviel Verstand und Einbildungskraft wie eine Crampton.
    Unnötig hinzuzufügen, daß sie niemals entgleiste.
    Was den Sohn betrifft, so genügt es, die Mutter mit dem Vater zu multiplizieren, und man erhält als Koeffizienten Athanase Boutardin, den Hauptgesellschafter des Bankhauses Casmodage & Co.; ein recht liebenswürdiger Bursche, der im Frohsinn seinem Vater und in der Eleganz seiner Mutter nachschlug. In seiner Gegenwart durfte kein geistreiches Wort fallen; dann schien es, als habe man ihn verletzt, und die Augenbrauen zogen sich über seinem abgestumpften Blick zusammen. Er hatte beim großen Leistungswettbewerb den ersten Bank-Preis erhalten. Man kann sagen, er ließ das Geld nicht nur arbeiten, er hetzte es zu Tode; er roch nach einem Wucherer; er trachtete danach, irgendein gräßliches Mädchen zu heiraten, deren Mitgift die Häßlichkeit ganz entschieden abgelten würde. Mit zwanzig Jahren trug er bereits eine Aluminiumbrille. Sein beschränkter und schablonenhafter Verstand trieb ihn dazu, seine Kommis mit den Schikanen eines Schnüfflers zu sekkieren. Eine seiner Verschrobenheiten bestand darin, seine Kasse für leer zu halten, obwohl sie vor Goldstücken und Geldscheinen überquoll. Er war ein abscheulicher Mensch, ohne Jugend, ohne Herz, ohne Freunde. Sein Vater bewunderte ihn sehr.
    Das also war jene Familie, jene häusliche Dreifaltigkeit, die der junge Dufrénoy um Hilfe und Schutz bitten sollte. Monsieur Dufrénoy, Madame Boutardins Bruder, hatte all jene zarten Gefühle und edlen Empfindungen besessen, die bei seiner Schwester zur Borstigkeit geraten waren. Dieser arme Künstler, ein Musiker von großem Talent, für ein besseres Jahrhundert geboren, erlag in jungen Jahren der Not, vererbte seinem Sohn nichts als seine poetischen Neigungen, seine Fähigkeiten und sein Streben.
    Michel hatte wohl irgendwo einen Onkel, einen gewissen Huguenin, über den nie gesprochen wurde, einen jener gelehrten, bescheidenen, armen, resignierten Menschen, für die sich wohlhabende Familien schämen; doch es war Michel verboten, ihn zu sehen, und er kannte ihn nicht einmal; daran brauchte er somit gar nicht zu denken.
    Die Situation dieses Waisenkindes auf der Welt war also klar umrissen: auf der einen Seite ein Onkel, der nicht in der Lage war, ihm zu Hilfe zu kommen – auf der anderen eine Familie, reich an jenen Eigenschaften, die sich in klingende Münze umwandeln lassen, und mit geradesoviel Herz, wie notwendig ist, um das Blut in die Arterien zu pumpen.
    Kein Grund also, der Vorsehung dankbar zu sein.
    Am nächsten Tag ging Michel in das Arbeitszimmer seines Onkels hinunter, ein wahrhaft feierliches Arbeitszimmer, und mit einer gestrengen Stofftapete bespannt: hier warteten der Bankier, seine Frau und sein Sohn. Es drohte, förmlich zu werden.
    Monsieur Boutardin, der vor dem Kamin stand, eine Hand in der Weste und mit geschwellter Brust, drückte sich folgendermaßen aus:
    »Monsieur, Sie werden Worte vernehmen, die ich Sie bitten möchte, Ihrem Gedächtnis einzuprägen. Ihr Vater war Künstler. Dieses Wort sagt alles. Ich bin gewillt anzunehmen, daß Sie seine unglückseligen Instinkte nicht geerbt haben. Nichtsdestoweniger habe ich bei Ihnen Anlagen entdeckt, die es zu zerstören gilt. Sie treiben bereitwillig im Strom des Idealen, und das offenkundigste Resultat Ihrer Bestrebungen war bisher dieser Preis für lateinische Verse, den Sie zu unser aller Schande gestern gewonnen haben. Beziffern wir die Lage. Sie sind ohne Besitz, das ist eine Ungeschicklichkeit; und beinahe wären Sie auch ohne Verwandte. Nun will ich aber keinen Dichter in meiner Familie, haben Sie gehört! Ich will keines dieser Individuen, die den Leuten Reime ins Gesicht spucken; Sie haben

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