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Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auf Reisen; er hätte Mitleid erweckt, wäre das Mitleid in dieser egoistischen Zeit nicht von der Erde verbannt gewesen.
    Der Winter von 1961 auf 1962 war außergewöhnlich streng; er übertraf sogar die Winter von 1789, von 1813 und 1829 durch seine Härte und seine Dauer.
    In Paris setzte die Kälte am 15. November ein, und der Frost hielt ohne Unterbrechung bis zum 28. Februar an; der Schnee erreichte eine Höhe von fünfundsiebzig Zentimetern und das Eis in den Teichen und auf mehreren Flüssen eine Dicke von siebzig Zentimetern; während zwei Wochen fiel das Thermometer auf dreiundzwanzig Grad unter Null. Die Seine war zweiundvierzig Tage lang zugefroren und die Schiffahrt völlig lahmgelegt.
    Diese fürchterliche Kälte herrschte in ganz Frankreich und in einem großen Teil Europas; die Rhône, die Garonne, die Loire, der Rhein waren mit Eis überzogen, die Themse bis nach Gravesend, sechs Meilen unterhalb von London, zugefroren; der Hafen von Ostende bot eine feste Oberfläche dar, über die Fuhrkarren rollen konnten, und Wagen fuhren auf dem Eis über den Großen Belt.
    Der Winter dehnte seine Unerbittlichkeit bis nach Italien aus, wo es heftige Schneefälle gab, bis nach Lissabon, wo der Frost vier Wochen andauerte, bis nach Konstantinopel, das vollkommen blockiert war.
    Diese anhaltenden Temperaturen brachten großes Unheil mit sich; viele Menschen kamen durch die Kälte um; man war gezwungen, die Wachen abzuziehen; in den Straßen fielen die Leute einfach um. Die Wagen konnten nicht mehr fahren, die Eisenbahnzüge standen still; nicht nur der Schnee hinderte sie am Vorwärtskommen, sondern auch die Zugführer konnten nicht auf ihren Lokomotiven bleiben, ohne zu erfrieren.
    Die Landwirtschaft wurde von dieser ungeheuren Plage besonders stark getroffen; die Weinstöcke, die Kastanien-, Feigen-und Maulbeerbäume, die Olivenbäume der Provence gingen in großer Zahl zugrunde: die Stämme spalteten sich plötzlich und in ihrer ganzen Länge; es gab nichts, bis hin zum Stechginster, bis hin zum Heidekraut, was nicht unter den Schneemassen vernichtet wurde.
    Die Getreide-sowie die Heuernte war für dieses Jahr zur Gänze gefährdet.
    Man kann sich vorstellen, was für ein entsetzliches Leid in den armen Bevölkerungsschichten herrschte, obwohl die Regierung Maßnahmen ergriff, um ihnen zu helfen; alle Mittel der Wissenschaft waren angesichts eines derartigen Überfalls machtlos; die Wissenschaft hatte den Blitz gezähmt, die Entfernungen abgeschafft, Zeit und Raum ihrem Willen unterworfen, die geheimsten Kräfte der Natur für alle zugänglich gemacht, die Überschwemmungen eingedämmt, die Atmosphäre unter ihre Herrschaft gebracht, doch sie vermochte nichts gegen diesen schrecklichen, unbezwingbaren Feind, die Kälte.
    Die öffentliche Wohltätigkeit strengte sich ein wenig mehr an, aber immer noch zu wenig, und das Elend erreichte extreme Ausmaße.
    Michel litt grausam; er hatte kein Feuer, und Brennmaterial war unerschwinglich geworden. Er heizte nicht.
    Bald war es soweit, daß er seine Ernährung auf das Allernotwendigste beschränken mußte, und er begnügte sich mit den armseligsten Nahrungsmitteln.
    Mehrere Wochen hindurch lebte er von einer Art Speise, die damals unter dem Namen Kartoffelkäse bekannt war, eine glatte Masse, gekocht und zerstampft; doch auch sie kostete noch acht Sou das Pfund.
    Der arme Teufel mußte also Brot aus Eicheln essen, hergestellt aus dem Stärkemehl dieser luftgetrockneten Substanz; man nannte es das Brot der Armut.
    Doch die unerbittlichen Zeiten ließen es auf vier Sou pro Pfund ansteigen. Das war wieder zu teuer.
    Im Januar, als der Winter am kältesten wurde, war Michel gezwungen, sich von Kohlebrot zu ernähren.
    Die Wissenschaft hatte die Steinkohle, die der wahre Stein der Weisen zu sein scheint, genauestens und sorgfältig untersucht; sie enthält den Diamanten, das Licht, die Wärme, das Öl und tausend andere Bestandteile, denn die unterschiedlichen Verbindungen haben siebenhundert organische Substanzen hervorgebracht. Aber sie enthält auch eine große Menge Wasserstoff und Kohlenstoff, die zwei nahrhaften Bestandteile des Getreides, ganz abgesehen von den Essenzen, die den köstlichsten Früchten Geschmack und Aroma verleihen.
    Aus diesem Wasserstoff und diesem Kohlenstoff machte ein gewisser Doktor Frankland Brot, und dieses Brot wurde um zwei Centime das Pfund verkauft.
    Man muß zugeben: um Hungers zu sterben, mußte man schon recht großen Ekel empfinden;

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